Steuertipp Nr. 29 - Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen

Nur wenn man die wesentlichen Mechanismen der Einkommenssteuer versteht, kann man seine Steuern optimal planen. Der Sinn und Zweck unserer Reihe «Der Steuertipp» besteht darin, aufzuzeigen, wie eine Steuererklärung korrekt, aber auch steueroptimal erstellt werden kann.



Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen kommen in der Praxis recht selten vor. Umso wichtiger ist es, Lohnausweise oder andere Bescheinigungen korrekt auszustellen. Von ausschlaggebender Bedeutung ist zudem, die Einkommenssteuerdeklaration so zu erstellen, dass die veranlagende Steuerbehörde den Sachverhalt verstehen und entsprechend auch korrekt veranlagen kann. In diesem Fall ist dies durchaus zum Vorteil des Steuerpflichtigen, denn Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen werden milder besteuert wie andere Einkommensbestandteile.

Die Herausforderungen bei Kapitalabfindungen liegen darin, genau zu erkennen, um was es aus steuerlicher Sicht geht - und diese Sachverhalte in der Folge korrekt darzustellen. Die Tücke steckt buchstäblich im Detail. Massgebend sind die Verhältnisse im Einzelfall. Dazu sind die kantonalen Vorschriften zu beachten. Wir erstellen Ihnen einen Überblick über die Herausforderungen.
 

Wie werden Kapitalabfindungen besteuert?

Kapitalabfindungen können als

  • Einkommen, zu 100 Prozent,
  • als Vorsorgeleistung (separat vom Einkommen) zum Vorsorgetarif oder
  • als Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen mit dem Einkommen zusammen, aber zum Rentensatz besteuert werden.

Nachfolgend zeigen wir Ihnen einige Besteuerungsarten der Kapitalleistungen auf. Zuerst müssen jedoch die unterschiedlichen Leistungen steuerlich korrekt qualifiziert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass es durchaus möglich ist, dass beispielsweise eine Abgangsentschädigung eines Arbeitgebers an einen älteren Kadermitarbeitenden teilweise als Vorsorgeleistung und teilweise als Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen qualifiziert wird.
 

Welche unterschiedlichen Leistungen werden als Kapitalabfindungen bezeichnet?

Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen sind Einmalzahlungen, die einen Anspruch auf bestehende (aufgelaufene) oder künftige wiederkehrende Leistungen tilgen. In der Regel fallen nur diejenigen Kapitalabfindungen darunter, die periodische, über die Bemessungsperiode hinaus erfolgende Leistungen ersetzen.

Aufgelaufene, das heisst in der Vergangenheit liegende Ansprüche, können dann als Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen qualifiziert werden, wenn diese in der Vergangenheit ohne Zutun des Steuerpflichtigen unterblieben sind.

Die Bezeichnung als «Kapitalabfindung» ist kein präziser steuerlicher Begriff. Darunter könnten sehr unterschiedliche Leistungen fallen. Wie gesagt, kommt es auf den Einzelfall an.
 

Arten von Kapitalabfindungen

Klarer wird die Unterscheidung der verschiedenen Arten von Kapitalabfindungen mit einigen Beispielen:
 

Oft als Kapitalabfindungen bezeichnete Leistungen, die voll besteuert werden

  • Dienstaltersgeschenke sind keine Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen, sondern honorieren die Treue des Arbeitnehmenden.
  • Auch einmalverzinsliche Vermögenserträge qualifizieren nicht als Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen, da es sich um aufgeschobenen Vermögensertrag handelt.
  • Leistungen aus einem Sozialplan, ohne definitive Aufgabe der Erwerbstätigkeit, werden oft aufgrund des Dienstalters berechnet. Diese Zahlungen sollen als allgemeine Hilfe die möglichen mit der Entlassung verbundenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten abdecken und sind deshalb vollumfänglich steuerpflichtig.
  • Voll besteuert werden auch alle sonstigen Kapitalabfindungen mit einer offenen Zweckformulierung ohne ausgewiesene Vorsorgelücke, zum Beispiel «Schmerzensgeld für die Entlassung».
     

Abgangsentschädigungen, die zum Vorsorgetarif besteuert werden

Abgangsentschädigungen mit Vorsorgecharakter werden wesentlich milder besteuert. Solche liegen vor, wenn damit ausschliesslich und unwiderruflich die finanziellen Folgen der Risiken Alter, Invalidität und Tod gemildert werden. Die entsprechenden Leistungen des Arbeitgebers stellen Entschädigungen an den Arbeitnehmenden für die durch den vorzeitigen Rücktritt entstandenen Lücken in dessen Pensionskasse dar.

Abgangsentschädigungen mit Vorsorgecharakter werden separat vom übrigen Einkommen zu einem reduzierten Tarif besteuert. Sie unterliegen stets einer vollen Jahressteuer und es werden keine Sozialabzüge gewährt. Der Steuersatz bei der Direkten Bundessteuer beträgt einen Fünftel des ordentlichen Tarifs (Art. 17 Abs. 2 DGB i.V. mit Art. 38 DBG). Auch die Kantone haben eine speziellen Vorsorgetarif.

Eine Abgangsentschädigung mit Vorsorgecharakter liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ eingehalten sind:

  • Austritt nach dem vollendeten 55. Altersjahr
  • Definitive Aufgabe der Haupterwerbstätigkeit
  • Abgeltung einer zukünftigen Vorsorgelücke, die aus der Zeit zwischen dem Austritt und der ordentlichen Pensionierung entsteht
     

Kapitalleistungen, die (oft) zum Rentensatz besteuert werden

Rentennachzahlungen (z.B. der IV-Rente nach dem IV-Entscheid), Lohnnachzahlungen aufgrund eines zu tiefen Lohnes in der Vergangenheit, Einmalzahlung unterlassener Unterhaltsbeiträgen, Lidlohn für geleistete Arbeiten, Überbrückungsleistung Arbeitgeber bis zur ordentlichen Pensionierung, sofern es sich nicht um eine Abgangsentschädigung mit Vorsorgecharakter handelt.

 

Was bedeutet «Besteuerung zum Rentensatz»?

Die Kapitalabfindung wird zusammen mit dem ordentlich zu besteuernden Einkommen, aber zum Rentensatz besteuert. Dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG), Art. 37 kann Folgendes entnommen werden: «Gehören zu den Einkünften Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen, so wird die Einkommenssteuer unter Berücksichtigung der übrigen Einkünfte und der zulässigen Abzüge zu dem Steuersatz berechnet, der sich ergäbe, wenn anstelle der einmaligen Leistung eine entsprechende jährliche Leistung ausgerichtet würde.»
 

Beispiel pauschale Abfindung für Wohnrecht (Besteuerung zum Rentensatz)
Quelle: St. Galler Steuerbuch StB 51 Nr. 2
Ein 60jähriger, alleinstehender Mann verzichtet wegen einer Grossüberbauung auf sein lebenslängliches Wohnrecht gegen eine Abfindung von CHF 250'000. Sein steuerbares Einkommen beträgt CHF 70'000.

Bezeichnung                                                                          steuerbar in CHF satzbestimmend in CHF
Steuerbares Einkommen 70'000 70'000
Kapitalleistung 250'000  
Umrechnung aufgrund der Rentenwerttabelle
Faktor 43,78, satzbestimmendes Einkommen
  10'945
Total steuerbares Einkommen 320'000  
Satzbestimmendes Einkommen   80'945


Kommentar: Ob das Einkommen von 320'000 Franken zum Satz von 320'000 oder zum Satz von 80'945 Franken besteuert wird, führt zu einer grossen Differenz in der Steuerbelastung.

 

Dokumentation der Kapitalabfindung

Herausfordernd ist die steuerliche Qualifikation von Abgangsentschädigungen des Arbeitgebers. Hat diese Vorsorgecharakter? Stellt die Entschädigung ein Ersatzeinkommen bis zur ordentlichen Pensionierung dar? Oder ist es ein Schmerzensgeld? Eine Treuegeschenk? Oder gar eine als Abgangsentschädigung bezeichnete Entschädigung für Ferien- und Überzeitenguthaben?

Die Leistung ist vom Arbeitgeber auf dem Lohnausweis unter Ziffer 4 «Kapitalleistungen» auszuweisen. Es empfiehlt sich, die Leistung zu umschreiben und in der Beilage weitere Details aufzuführen, damit die Kapitalabfindung von der Steuerbehörde korrekt qualifiziert werden kann. Neben dem Zweck der Zahlung ist insbesondere auszuweisen, für welchen Zeitraum die Leistung erbracht wurde. Nur so ist die satzbestimmende Umrechnung möglich.

 

Schlussfolgerungen

In der Praxis ist immer wieder zu beobachten, dass solche einmaligen oder eher selten vorkommenden Einnahmen aus Unwissenheit nicht richtig in der Steuererklärung deklariert werden, was dazu führt, dass sie oft vollumfänglich besteuert werden.

Entscheidend für die korrekte Veranlagung ist eine verständliche Dokumentation und Darlegung des Sachverhalts. Wenn diese Informationen aus den Beilagen, wie beispielsweise einem Lohnausweis, nicht klar hervorgehen, ist eine Umschreibung durch den Steuerpflichtigen in Form einer Aktennotiz oder eines Schreibens zu empfehlen.

Alle Sorgfalt verfehlt das Ziel, wenn die Veranlagung nicht möglichst umgehend nach Vorliegen geprüft wird. Bei Unklarheiten sollte das Gespräch mit der Steuerbehörde gesucht werden, damit allfällige Differenzen möglichst ausgeräumt werden können.