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Bei grenzüberschreitendem Homeoffice entstehen Risiken für den Arbeitgeber. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche wesentlichen Punkte es im Bereich Steuern und Sozialversicherungen zu beachten gilt.
Zeit- und ortsunabhängige Arbeitsmodelle füllen zurzeit die Agenden der Personal- und Geschäftsverantwortlichen. Die Pandemie hat gezeigt: Im Homeoffice lässt sich arbeiten. Um Mitarbeitende mittels besonders attraktiver Arbeitsmodelle an das Unternehmen zu binden, erlauben viele Arbeitgebende nun auch das Arbeiten vom Ausland aus. Remote-Working heisst das neue Zauberwort. «Win-Win» könnte man meinen. Doch der Schein trügt und dunkle Wolken ziehen über die vermeintlich ideale Situation, wenn Unternehmen bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten keine umfassenden Abklärungen vornehmen.
Das Thema «grenzüberschreitende Tätigkeit» prägt den Steuerberatungsalltag seit knapp anderthalb Jahren. Nicht nur kleinere Unternehmen, auch Grossbetriebe sehen sich diesbezüglich mit komplexen Herausforderungen und Unsicherheit konfrontiert. Oft lautet die Frage schlicht: «Haben wir ein Problem?».
Internationale Arbeitnehmer mit steuerrechtlichem Wohnsitz in der Schweiz
Der hierzulande lange andauernde Winter lässt manchen in der Schweiz wohnhaften Angestellten vom Homeoffice in südlicheren Breitengraden träumen. Muss der Angestellte eine Steuerpflicht befürchten, wenn er im Ferienhaus auf Sardinien an Online-Meetings teilnimmt und geschäftliche E-Mails beantwortet? Die unliebsamste aller Antworten kommt auch hier zum Zuge: Es kommt darauf an.
Doppelbesteuerungsabkommen
Existiert zwischen dem Wohnsitzstaat Schweiz und demjenigen Land, in dem sich der Angestellte aufhält bzw. zu Homeoffice Zwecken aufhalten möchte, ein Doppelbesteuerungsabkommen, bietet die «Monteur-Klausel» eine solide Abwehr vor einem fiskalischen Zugriff des Gaststaates. Hält sich der Angestellte generell während eines Jahres nicht an mehr als an 183 Tagen im Gastland auf und wird sein Lohn weiterhin von seinem Schweizer Arbeitgeber bezahlt (und nicht von einer Betriebsstätte im Gastland, die der Schweizer Arbeitgeber dort hat), so hat die Schweiz das alleinige Recht, den Lohn des Angestellten zu besteuern.
Es ist wichtig anzumerken, dass zu den 183 Tagen nicht nur die Arbeits-, sondern sämtliche Aufenthaltstage zählen, dazu gehören auch Krankheits-, Wochenend- oder Ferientage.
Heikel sind Fälle, in denen der Angestellte erst kürzlich in die Schweiz gezogen ist und im Gastland, wo er jetzt seine Homeoffice Tage verbringt, noch über familiäre Berührungspunkte oder gar Liegenschaften verfügt. Heikel darum, weil das Risiko besteht, dass die ausländische Steuerbehörde in einem solchen Fall den schweizerischen Wohnsitz in Frage stellen und den Angestellten so einer unbeschränkten Steuerpflicht unterwerfen könnte. Das kann zu einer Doppelbesteuerung führen.
Die geschilderte Monteur-Klausel allein genügt aber nicht, um sich in Sicherheit zu wiegen. Ein Doppelbesteuerungsabkommen beschränkt zwar das entsprechende unilaterale Steuerrecht eines Staates, es könnte aber aufgrund unilateraler Steuerregeln sein, dass trotzdem eine gewisse Form von Steuerpflicht besteht.
Internationale Arbeitnehmer mit steuerrechtlichem Wohnsitz im Ausland
Worauf gilt es zu achten, wenn Schweizer Unternehmen im Ausland ansässige Arbeitnehmer beschäftigten und diese nun vermehrt auch in ihrem ausländischen Zuhause arbeiten lassen? Bei im Ausland wohnhaften Arbeitnehmern gilt grundsätzlich das Arbeitsortsprinzip. Arbeitnehmer ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz unterliegen mit ihrem Einkommen der Quellenbesteuerung, sofern diese Erwerbstätigkeit physisch in der Schweiz ausgeübt wird. Der Lohn, den ein Schweizer Arbeitgeber einem Angestellten ohne steuerliche Ansässigkeit in der Schweiz ausbezahlt, unterliegt also nur im Umfang der hierzulande geleisteten Arbeitstage der Quellensteuer.
Quellensteuer
Je nachdem, welche Methode das entsprechend anzuwendende Doppelbesteuerungsabkommen kennt, rechnet der Wohnsitzstaat die Schweizer Quellensteuer an die Steuern im Wohnsitzstaat an oder befreit das in der Schweiz bereits besteuerte Einkommen von deren steuerbaren Grundlage. Mit den Nachbarländern Frankreich, Deutschland, Liechtenstein und Italien gelten überdies Spezialregelungen bezüglich der Grenzgänger.
Grenzgänger
Der Schweizer Arbeitgeber hat nebst den effektiven Arbeitstagen (z.B. anhand eines Arbeits- bzw. Aufenthaltskalendariums zu eruieren) stets im Auge zu behalten, ob sein Angestellter im Staat, in dem dieser im Homeoffice tätig ist, einer Quellensteuerpflicht unterstellt ist. Ist es nicht die Aufgabe und Pflicht des Angestellten, sich darum zu kümmern? Weit gefehlt, denn analog zur Schweiz ist fast ausnahmslos in allen relevanten umliegenden Staaten der Arbeitgeber der Schuldner dieser steuerbaren Leistung. Viele Länder gehen mit der Pflicht noch einen Schritt weiter. So muss beispielsweise der ausländische Arbeitgeber für die in Frankreich ausgeübten Tätigkeiten auf den Löhnen, die an Angestellte mit steuerrechtlichem Wohnsitz in Frankreich über eine ausländische Lohnbuchhaltung ausbezahlt werden, eine Quellensteuer entrichten. Hinzu kommt, dass das französische Gesetz eine Fiskalvertretung vorschreibt, die der Schweizer Arbeitgeber bestellen muss, damit er als ausländischer Arbeitgeber all seinen Pflichten korrekt nachkommen kann.
Betriebsstätten
Beschäftigt ein Schweizer Unternehmen (insbesondere) leitende Angestellte, die regelmässig und andauernd im grenzüberschreitenden Homeoffice arbeiten, besteht das Risiko, dass die Homeoffice-Situation eine Betriebsstätte im Ausland begründet. Damit liefe das Unternehmen Gefahr, im Ausland auf einem Teil des Geschäftsgewinns steuerpflichtig zu werden.
In welchem Staat sind die Sozialversicherungen abzurechnen?
Sind nunmehr die steuerlichen Stolpersteine ausfindig gemacht und geprüft worden, wartet bereits die nächste «Baustelle». Die Sozialversicherungsunterstellung ist grundsätzlich EU/EFTA-weit koordiniert. Dies bedeutet, dass grundsätzlich Konsens darüber herrscht, dass jemand gleichzeitig mit seinen Einkünften, sei es aus selbstständiger oder unselbstständiger Erwerbstätigkeit, nur in einem Land der Sozialversicherungspflicht untersteht. Es besagt dies die EU-Verordnung Nr. 883/2004, welche dank den Freizügigkeitsabkommen auch auf die Schweiz Anwendung findet. Darüber hinaus gibt es seitens der Schweiz zurzeit noch 44 weitere bilaterale Abkommen mit Drittstaaten über die Koordinierung der Sozialversicherungen (u.a. mit den USA, China, Japan etc.).
Sozialversicherungsunterstellung
Nach dem AHV-Gesetz (AHVG) ist jeder in der Schweiz Wohnhafte oder in der Schweiz Erwerbstätige sozialabgabepflichtig. Fallen Wohn- und Arbeitsstaat jedoch auseinander, so regelt auf dem Gebiet der EU/EFTA inkl. Schweiz die eben genannte Verordnung, welches Sozialversicherungssystem Anwendung findet. Als Faustregel gilt dabei, dass grundsätzlich das System des Arbeitgeberstaates zur Anwendung gelangt. Arbeitet eine Person somit in der Schweiz, gilt die Schweizer Sozialversicherungspflicht.
Mehrstaaten-Tätigkeit
Beschäftigt ein Schweizer Unternehmen einen Angestellten mit Wohnsitz in Deutschland und Arbeitsort Schweiz, so ist dieser in Anwendung des obigen Grundsatzes in der Schweiz abgabepflichtig. Eine neue Homeoffice-Möglichkeit im Wohnsitzland Deutschland könnte den Schweizer Arbeitgeber aber vor grosse Veränderungen stellen. Folgt man dem Wortlaut der Verordnung, so ist deutsches Sozialversicherungsrecht anzuwenden, wenn der Angestellte während einer Zeitperiode von mindestens 12 Monaten 25 Prozent seines Arbeitspensums physisch in Deutschland erledigt. Der Schweizer Arbeitgeber wäre im genannten Beispiel folglich Schuldner einer Leistung — nämlich deutscher Sozialversicherungsbeiträge. Dies wiederum setzt Kenntnis über die Arbeitgeberbeitragshöhe, die verschiedenen Versicherungszweige, die Abrechnungsstelle etc. voraus, was für jeden Schweizer Arbeitgeber mit beträchtlichem administrativem Mehraufwand verbunden sein dürfte. Neben dem administrativen Aufwand ist dies, aufgrund der hohen Beiträge im deutschen Sozialversicherungssystem, relativ kostspielig. Noch teurer kommt es den Arbeitgeber zu stehen, wenn der Mitarbeitende in Frankreich der Sozialversicherungspflicht unterstellt wird.
Analoges gilt für sämtliche EU-/EFTA-Staaten: Arbeiten die Mitarbeitenden von dort aus, läuft die schweizerische Arbeitgeberin schnell Gefahr, dort Sozialversicherungen abrechnen zu müssen. Auch im Verhältnis zu Staaten ausserhalb der EU/EFTA ist dieser Punkt im Auge zu behalten. Typischerweise sind im Tätigkeitsstaat Sozialversicherungen geschuldet, womit die schweizerische Arbeitgeberin gegebenenfalls in Staaten Beiträge abrechnen muss, in denen ihre Mitarbeitenden im Homeoffice, Ferienhaus etc. arbeiten.
Abrechnung von Beiträgen im falschen Land
Anders als bei den Steuern dürfte die Abführung der Beiträge im falschen Land den zuständigen Behörden nicht sofort ins Auge fallen. Wichtiger denn je ist es, die Unternehmen darauf zu sensibilisieren, dass bei einer Betriebsprüfung oder in einem möglichen Leistungsfall die zuständigen Versicherungen sehr genau überprüfen, wo die Beiträge geleistet wurden und ob dieses Land im Kontext der Gegebenheiten und Vorschriften auch zuständig war. Man stelle sich vor, eine Arbeitnehmende verunfallt im ausländischen Homeoffice so gravierend, dass sie Invalidenleistungen beziehen muss. Stellt die Schweizerische IV nun fest, dass diese Mitarbeitende ausschliesslich im Ausland tätig war und damit gar nicht dem schweizerischen Sozialversicherungssystem hätte unterstellt sein müssen, kann sie Leistungen verweigern. Gleichzeitig wird eine ausländische Sozialversicherung eine bereits verunfallte Arbeitnehmende mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht rückwirkend versichern. Im «worst case» Szenario muss die Arbeitgeberin die hohen, ausbleibenden Leistungen womöglich sogar selbst finanzieren, da sie diese Versicherung im Arbeitsvertrag zugesichert hat.
Entsendung
Ein weiterer für die Praxis bedeutungsvoller Ausnahmetatbestand ist die Entsendung. Eine solche würde im Sinne der oben genannten Verordnung eine Weiterführung bzw. Unterstellung der Schweizer Sozialversicherungspflicht vorsehen. In Homeoffice Konstellationen dürften allerdings die Voraussetzungen an eine Entsendung im Sinne der Verordnung nicht erfüllt sein. Generell sieht diese einen zeitlich begrenzten Arbeitseinsatz bei einem Kunden des Schweizer Arbeitgebers oder bei einer verbundenen Gesellschaft vor Ort vor. Eine hingegen vorgesehene Verschiebung des Arbeitsplatzes vom Schweizer Standort des Arbeitgebers in ein ausländisches Büro bzw. Eigenheim vermag dieser Voraussetzung nicht standzuhalten.
In Anwendung der besagten Regeln wäre eine Weitergeltung der Schweizer Sozialversicherungsbeiträge im genannten Beispielfall (siehe Abschnitt Mehrstaaten-Tätigkeit) nur dann noch möglich, wenn die Anzahl der Homeoffice-Tage in Deutschland auf maximal einmal pro Woche festgesetzt wird, womit die Wesentlichkeitsgrenze von 25 Prozent unterschritten bliebe.
Das Wichtigste in Kürze:Das grenzüberschreitende Homeoffice bedarf in jedem Fall einer Vorabprüfung im Einzelfall, da Ausnahmen und Regelungen von Tätigkeitsstaat zu Tätigkeitsstaat unterschiedlicher nicht sein könnten. Zentrale Fragen, die es zu stellen gilt, sind u.a. die folgenden:
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Weiterführende Informationen
BDO Newsletter vom August 2020: «Neuerungen Quellensteuer ab 1. Januar 2021 – Grundlagen»
BDO Newsletter vom Oktober 2020: «Neuerungen Quellensteuer ab 1. Januar 2021 – Internationale Regelungen»
BDO Newsletter vom November 2020: «Neuerungen Quellensteuer ab 1. Januar 2021 – FAQs und Highlights»
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