Bezug von Schweizer Vorsorgegeldern im Ausland

Wenn Personen mit Wohnsitz im Ausland ihre Schweizer Vorsorgeguthaben beziehen möchten, ergeben sich oft Fragen zur Zulässigkeit des Bezugs und zur steuerlichen Behandlung. Nicht selten wird die Sachlage in grenzüberschreitenden Konstellationen schnell komplex. Welche Stolperfallen gibt es und was gilt es zu beachten, um diese zu vermeiden?

Beziehen im Ausland wohnhafte natürliche Personen Vorsorgegelder aus der Schweiz, wie beispielsweise Pensionskassen-, Freizügigkeits- oder Säule 3a-Guthaben, stellt sich die Frage der Besteuerung. Grundsätzlich basiert das Schweizer Steuerrecht auf dem Prinzip der physischen Präsenz. Allerdings gibt es Ausnahmen, die auch ohne physische Präsenz eine Steuerpflicht auslösen können. So unterliegen beispielsweise Personen mit Wohnsitz im Ausland, die Leistungen aus schweizerischen Einrichtungen der beruflichen Vorsorge oder aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge erhalten, einer sogenannten beschränkten Steuerpflicht aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit (nach Art. 5 Abs. 1 lit. d/e DBG & Art. 4 Abs. 2 lit. d/e StHG). Die Erhebung der Steuer erfolgt dabei im Quellensteuerverfahren (Art. 95 & 96 DBG & Art. 35 Abs. 1 lit. g StHG).

Auch hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit und des Veranlagungsverfahrens greift in diesen Fällen eine steuerliche Spezialnorm: Während bei Personen mit steuerlicher Ansässigkeit in der Schweiz der entsprechende Wohnsitzkanton die Vorsorgeleistung besteuern kann (Besteuerung zum Vorsorgetarif im ordentlichen Verfahren), liegt das Besteuerungsrecht (Quellensteuerverfahren) bei Personen mit Wohnsitz im Ausland jeweils beim Sitzkanton des Schuldners der steuerbaren Leistung (d.h. Sitz der Vorsorgeeinrichtung). Die Steuerpflicht richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Leistung.

Wie beeinflusst internationales Steuerrecht die Besteuerung von Vorsorgegeldern im Ausland?

Völkerrecht hat grundsätzlich Vorrang vor nationalem Recht. Demnach kann internationales Völkerrecht - namentlich die von der Schweiz mit über 100 Staaten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen - das oben genannte Schweizer innerstaatliche Besteuerungsrecht für die besagten Vorsorgeleistungen einschränken bzw. zurückdrängen. Das OECD-Musterabkommen (Art. 18) sieht vor, dass das Besteuerungsrecht für private Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen grundsätzlich an den Ansässigkeitsstaat des Begünstigten fällt. Die meisten von der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen folgen diesem Grundsatz. Es bestehen jedoch zahlreiche Ausnahmen. Einige Doppelbesteuerungsabkommen mit gewissen Staaten machen die Zuteilung des Besteuerungsrechts abhängig von der Form der Auszahlung (Bezug in Renten- oder Kapitalform wie beispielsweise im Fall von Australien), oder aber von der Art der Rente (so beispielsweise im Fall von Schweden). Wiederum andere Abkommen folgen der jüngsten Tendenz, das Besteuerungsrecht zum Quellenstaat zu verlagern, wie beispielsweise Brasilien oder die Niederlande mit einer «geteilten» Besteuerungsbefugnis.

Hat das Ausland ein ausschliessliches Besteuerungsrecht, wird der unilaterale Besteuerungsanspruch der Schweiz zurückgedrängt. In diesem Fall kann in der Schweiz innert drei Jahren im Rückerstattungsverfahren die Rückzahlung der erhobenen Quellensteuer beantragt werden, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Im Rahmen des Rückerstattungsantragsverfahrens muss zudem jeweils eine Bestätigung des ausländischen Wohnsitzstaates eingereicht werden. Dabei genügt es in den meisten Fällen, wenn der Wohnsitzstaat den Wohnsitz der begünstigten Person sowie die Kenntnisnahme über die Auszahlung der Kapitalleistung bestätigt. Manchmal muss jedoch auch ein Nachweis über die tatsächliche Besteuerung im Wohnsitzstaat erbracht werden, um die Schweizer Steuer zurückzuerhalten (sog. «subject-to-tax»-Klausel). Eine fehlende «subject-to-tax»-Regelung kann tatsächlich zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen, so wie es beispielweise in einigen Doppelbesteuerungsabkommen mit südostasiatischen Ländern der Fall war/ist, die solche Kapitalabfindungen am Wohnsitz regelmässig nicht besteuern. Im Lichte des innerstaatlichen Grundsatzes im Bereich der Vorsorgebesteuerung «volle Abzugsfähigkeit der Beiträge - volle Besteuerung der Leistungen» sowie der internationalen steuerpolitischen Bestrebungen der OECD zur Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung führt ein solcher Sachverhalt zu einem Ungleichgewicht zwischen Abzugsfähigkeit und Steuerbarkeit der Leistung. Bei Bezug von Ruhegehältern aus einem früheren öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis bestehen in den meisten Doppelbesteuerungsabkommen entsprechende Spezialbestimmungen.

Sollten Vorsorgegelder vor dem Wegzug ins Ausland in einen steuergünstigen Kanton transferiert werden?

Was hat es mit der «Stammtischwahrheit» auf sich, dass Vorsorgegelder vor dem Bezug bei Wegzug ins Ausland in einen (in Bezug auf die Vorsorgebesteuerung) steuergünstigen Kanton überwiesen werden sollten? Tatsächlich herrscht bei einem definitiven Wegzug ins Ausland der weit verbreitete Irrtum, dass es stets vorteilhaft sei, die Austrittsleistung zuerst an eine Vorsorge-/Freizügigkeitseinrichtung in einem steuergünstigen Kanton zu überweisen und diese erst danach zu beziehen.

In diesem Zusammenhang ist einerseits zu beachten, dass das (Quellen-)Besteuerungsrecht des Sitzkantons der Vorsorgeeinrichtung nur dann greift, wenn die anspruchsberechtigte Person keinen steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz hat, also die Auszahlung erst nach dem definitiven Wegzug erfolgt. Erfolgt die Auszahlung hingegen noch während der Zeit, in der die Person ihren Wohnsitz in der Schweiz hat, also vor dem definitiven Wegzug, hat der Wohnkanton das ordentliche Besteuerungsrecht. Falls die Auszahlung tatsächlich nach Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland erfolgt und das (ausschliessliche) Besteuerungsrecht gemäss Doppelbesteuerungsabkommen dem neuen Wohnsitzstaat zustehen sollte, bringt eine vorgängige Überweisung an eine Vorsorgeeinrichtung in einen anderen, steuergünstigeren Kanton keinen steuerplanerischen Vorteil. Die in diesem Kanton abgeführte Steuer kann in der Schweiz zurückgefordert werden und der ausländische Wohnsitzstaat darf letztendlich die endgültige Besteuerung vornehmen. In solchen Konstellationen ist nicht nur die Schweizer Seite, sondern die (weltweite) Gesamtsteuerbelastung zu prüfen.

Welche vorsorgerechtlichen Aspekte sind bei einem Wegzug ins Ausland zu beachten?

Bei einem Wegzug ins Ausland können die angesparten Freizügigkeitsleistungen (FZL) in der beruflichen Vorsorge, abhängig vom Alter und dem neuem Wohnsitzstaat, ganz oder teilweise bezogen werden.

Die folgende Tabelle zeigt, ob das ganze oder nur ein Teil des Kapitals bezogen werden kann:

Ausreise nach
Ausreisedatum
Bezug der gesamten FZL möglich
Bezug überobligatorischer Teil der FZL möglich
EU-/EFTA-Staaten ohne (BG, RM, HR, FL)
Vor dem 01.06.2007
Ja
n/a*
Nach dem 01.06.2007
Unter Vorbehalt**
Ja
Bulgarien / Rumänien
Vor dem 01.06.2009
Ja
n/a*
Nach dem 01.06.2009
Unter Vorbehalt**
Ja
Kroatien
Vor dem 01.01.2017
Ja
n/a*
Nach dem 01.01.2017
Unter Vorbehalt**
Ja
Grossbritannien
Nach dem 01.11.2021
Ja
n/a*
Nicht EU-/EFTA-Staaten
 
Ja
n/a*

*) Wenn die ganze FZL bezogen werden kann, wird ein Bezug des überobligatorischen Teils hinfällig.

**) Vorab ist eine Abklärung über die Sozialversicherungspflicht im neuen Wohnsitzstaat erforderlich.

Liegt der neue Wohnsitz in einem EU-/EFTA-Staat, kann nur der überobligatorische Teil des Vorsorgeguthabens frei bezogen werden. Das Guthaben aus der gesetzlichen Minimalvorsorge (BVG) darf nur ausbezahlt werden, wenn in der neuen Heimat keine obligatorischen Versicherungen für Alter, Invalidität und Hinterlassenenleistungen bestehen. Sollte keine Versicherungspflicht mehr bestehen, ist dies gegenüber der Freizügigkeitsstiftung in der Schweiz nachzuweisen. Die zuständigen ausländischen Behörden stellen solche Bestätigungen frühestens 90 Tage nach Ausreise aus, wobei diese Fristen innerhalb der EU-/EFTA unterschiedlich sind. Bei Auszahlungen nach Griechenland wird beispielsweise frühestens 366 Tage nach Ausreise eine solche Bestätigung ausgestellt.

Ist die Barauszahlung nicht möglich, bleibt das Guthaben auf einem Sperrkonto (Freizügigkeitskonto oder Freizügigkeitspolice) in der Schweiz. Das Guthaben kann dann frühestens fünf Jahre (2024: 59 Jahre Frauen / 64 Jahre Männer) vor dem Referenzalter der AHV ausbezahlt werden. Wer beim Wegzug in die EU/EFTA zwischen 60 und 65 Jahre alt ist, die Arbeitsstelle kündigt und aus der beruflichen Vorsorge ausscheidet, hat in diesem Zeitpunkt die Wahl zwischen einer Renten- oder Kapitalzahlung bzw. einer Mischform. Je nach Vorsorgeplan ist dies auch schon ab dem 58. Altersjahr möglich.

Bei Ausreise in ein Land ausserhalb der EU/EFTA ist der Bezug des gesamten Freizügigkeitsguthaben umgehend möglich. Hierfür müssen der Pensionskasse bzw. Freizügigkeitsstiftung die entsprechenden Nachweise der Ausreise bzw. der Niederlassung in einem neuen Staat vorgelegt werden.

Im Gegensatz zu den Vorgaben für das Freizügigkeitsguthaben aus der beruflichen Vorsorge dürfen die Guthaben aus der privaten Vorsorge (Säule 3) bei einer Ausreise sofort bezogen werden. Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Land der neue Wohnsitz liegt.

Komplexität der internationalen Vorsorge: Sorgfältige Prüfung zahlt sich aus

Die internationale Steuerrechts- und Sozialversicherungslandschaft im Bereich der internationalen Vorsorge ist komplex, weshalb die sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Konsequenzen stets im Einzelfall sorgfältig geprüft und abgeklärt werden müssen. Gut beraten ist, wer die einschlägigen Abkommen konsultiert, insbesondere die Sozialversicherungs- und Doppelbesteuerungsabkommen sowie mögliche (Zusatz-)Vereinbarungen, und dabei die gesetzlichen Regelungen im Wohnsitzstaat beachtet. Für eine fundierte Beurteilung ist es wichtig, eine globale und gesamtheitliche Perspektive einzunehmen.