Die Schweiz und Deutschland haben am 11. Juni 2020 eine neue Konsultationsvereinbarung über die Besteuerung von Grenzgängern abgeschlossen.
Die Grenzen zwischen der Schweiz und ihren Nachbarländern wurden geschlossen, alle oder viele Mitarbeitende arbeiten im Homeoffice. Der erste Schritt ins Homeoffice war nicht für alle leicht, zumal nicht immer die optimale Infrastruktur vorhanden war oder entsprechende interne Prozesse aufgegleist wurden. Nach dem ersten Schritt ins Homeoffice stellten sich bei Arbeitgebern mit internationalen Mitarbeitenden, die beispielsweise in Deutschland wohnen, weitere Fragen im Zusammenhang mit der Besteuerung der Arbeitstage bzw. des Erwerbseinkommens. Um diese Fragen zu klären, haben Deutschland und die Schweiz am 11. Juni 2020 eine Konsultationsvereinbarung abgeschlossen.
Die Vereinbarung gilt vorerst für den Zeitraum vom 11. März 2020 bis zum 30. Juni 2020.
Davon betroffene Mitarbeitende:
- Echte Grenzgänger: Mitarbeitende, die täglich über die Grenze pendeln und ihre Arbeitsleistung in einem anderen Staat als dem Wohnsitzstaat ausüben.
- Grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse: Unter diesen Punkt fallen vor allem sogenannte internationale Wochenaufenthalter, die beispielsweise unter der Woche in der Schweiz arbeiten, am Wochenende allerdings an den Familienwohnsitz in Deutschland zurückkehren (Lebensmittelpunkt in Deutschland).
Grenzgänger
Qualifiziert ein Mitarbeitender als echter Grenzgänger unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung, wird das Erwerbseinkommen in dem Staat besteuert, in dem die Arbeitsleistung normalerweise ausgeübt worden wäre. Es kann somit weithin eine allfällige Quellenbesteuerung für Grenzgänger angewendet werden (Quellensteuer zu den Tarifen L-p, normalerweise 4,5%). Arbeitstage, die sowieso im Wohnsitzstaat ausgeübt worden wären, unterstehen weiterhin im entsprechenden Staat der Besteuerung.
Beispiel: Ein Schweizer Arbeitgeber beschäftigt einen Mitarbeitenden, der in Konstanz wohnt, täglich in die Schweiz zur Arbeit fährt und am Abend wieder zurückkehrt nach Konstanz. Aufgrund der Grenzschliessungen muss der Mitarbeitende von zu Hause aus in Deutschland arbeiten. Diese Arbeitstage werden weiterhin der Schweizer Besteuerung unterstellt, da die Arbeitsleistung grundsätzlich in der Schweiz verübt worden wäre.
Eine Bestätigung des Arbeitgebers der Situation und der Unterstellung der Besteuerung kann von den Behörden in beiden Staaten verlangt werden. Ein Besteuerungsnachweis ist in der Verständigungsvereinbarung sogar explizit vorgesehen, ebenso eine Bestätigung des Arbeitgebers, dass ohne COVID-19 der Arbeitsplatz beim Unternehmen gewesen wäre.
Grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse
Beschäftigt ein Schweizer Arbeitgeber einen Mitarbeitenden, der unter der Woche in der Schweiz arbeitet und wohnt, am Wochenende allerdings regelmässig zu seiner Familie nach Deutschland zurückkehrt, handelt es sich um einen internationalen Wochenaufenthalter. Unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung wird der Mitarbeitende grundsätzlich in der Schweiz steuerlich nicht ansässig, da er seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland beibehält. In einem solchen Arbeitsverhältnis, werden die physischen Schweizer Arbeitstage, basierend auf dem Doppelbesteuerungsabkommen, einer Besteuerung in der Schweiz unterstellt.
Nicht-schweizerische Arbeitstage (Homeoffice, sonstige Deutsche Arbeitstage, Drittstaatenarbeitstage) unterliegen aufgrund desselben Artikels einer Besteuerung in Deutschland. Ist es einem Mitarbeitenden unter den Massnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 allerdings nicht mehr möglich, in die Schweiz zu reisen, um seine Arbeitsleistung zu erbringen und arbeitet deshalb von zu Hause in Deutschland für den Schweizer Arbeitgeber, hält die Vereinbarung fest, dass die Besteuerung auf den Arbeitstagen ausnahmsweise in der Schweiz erfolgt, wie wenn er unter normalen Bedingungen die Arbeit auch physisch in der Schweiz ausgeübt hätte.
Beispiel: Ein Schweizer Arbeitgeber beschäftigt einen Mitarbeitenden, der in Hamburg seine Familie hat und in der Schweiz eine Wohnung mietet, in welcher er sich von Montag bis Freitag aufhält. An den Wochenenden kehrt der Mitarbeitende zurück nach Hamburg. Aufgrund der Grenzschliessungen muss der Mitarbeitende allerdings von zu Hause in Deutschland arbeiten. Die Arbeitstage Montag bis Freitag werden weiterhin der Schweizer Besteuerung unterstellt, sofern die Arbeitsleistung grundsätzlich in der Schweiz verübt worden wäre.
Auch in dieser Konstellation ist eine Bestätigung des Arbeitgebers und der Besteuerungsnachweis vorgesehen.
Zusammenfassung
Wir halten fest:
- Die Arbeitstage eines Grenzgängers sind grundsätzlich in der Schweiz zu besteuern, sofern der Mitarbeitende nur aufgrund von COVID-19 Massnahmen nicht in der Schweiz physisch tätig war. Eine allfällige Grenzgänger Quellensteuer kommt weiterhin zum Tragen.
- Bei einem grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnis, bei welchem die physische Arbeitsleistung grundsätzlich in der Schweiz verübt wird, werden die Arbeitstage im Homeoffice der Schweizer Besteuerung unterstellt, sofern diese nur aufgrund von COVID-19 Massnahmen nicht in der Schweiz ausgeübt worden sind.
- Die Regeln gelten notabene auch im umgekehrten Fall.
- Für vermehrte Homeoffice Tätigkeiten (wie bei vielen Unternehmen angedacht) in der «Nach-Corona-Zeit» gelten aber wieder die Grundregeln, nicht nur hinsichtlich Besteuerung, sondern auch hinsichtlich sozialversicherungsrechtlicher Unterstellung. Dies ist unbedingt zu berücksichtigen, wenn eine «Homeoffice Policy» oder dergleichen ausgearbeitet wird, von welcher auch Grenzgänger profitieren können.
Bei weiterführenden Fragen stehen Ihnen unsere Experten gerne zur Verfügung.
Cyrill Habegger
Leiter Steuern, Kompetenzzentrum Expats, BDO Zug
cyrill.habegger@bdo.ch | +41 41 767 24 37
Janine Bienz-Castro
Leitende Steuerberaterin, BDO Zürich
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