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Erik und Eva Enderli sind verheiratet. Eva Enderli stirbt nach kurzer Krankheit. Sie hatte mehrheitlich den ehelichen Lebensunterhalt verdient. Als Erik nach dem Tod seiner Ehefrau wie üblich Geld von ihrem Konto beziehen will, wird ihm dies verweigert.
Wissen Sie, wer verfügungsberechtigt ist über Ihr Vermögen oder über das Vermögen Ihrer Angehörigen im Falle des Todes oder einer Urteilsunfähigkeit? Welchen Einfluss haben Tod und Urteilsunfähigkeit auf bestehende Ermächtigungen? Um zu verhindern, dass notwendige oder wünschenswerte Verfügungen plötzlich verweigert werden, empfehlen wir Ihnen, sich frühzeitig zu informieren und entsprechende Massnahmen zu treffen.
Gesetzliche Vertretungsmacht
Von Gesetzes wegen besteht nur eine Vertretungsermächtigung von Eltern gegenüber unmündigen Kindern und zwischen Ehegatten / eingetragenen Partnern 1. Die gegenseitige gesetzliche Vertretungsbefugnis der Ehegatten beschränkt sich auf Rechtshandlungen, die zur Deckung des Unterhaltsbedarfs üblicherweise erforderlich sind, d.h. jeder Ehegatte ist befugt, die eheliche Gemeinschaft für die laufenden Bedürfnisse der Familie zu vertreten. Ansonsten besteht grundsätzlich kein gesetzliches Vertretungsrecht der Ehegatten.
Im Falle, dass ein Ehegatte urteilsunfähig wird, sieht das Gesetz ein weitergehendes Vertretungsrecht vor unter der Voraussetzung, dass ein gemeinsamer Haushalt besteht oder dass der eine dem anderen regelmässig und persönlich Beistand leistet. Das gesetzliche Vertretungsrecht umfasst in einem solchen Falle
- alle Rechtshandlungen, die zur Deckung des Unterhaltsbedarfs üblicherweise erforderlich sind,
- die ordentliche Verwaltung des Einkommens und der übrigen Vermögenswerte und
- die Befugnis, die Post zu öffnen und zu erledigen, sollte dies notwendig sein.
Für weitergehende Rechtshandlungen, insbesondere im Rahmen der ausserordentlichen Vermögensverwaltung, besteht auch im Falle der Urteilsunfähigkeit eines Ehegatten keine gesetzliche Vertretungsermächtigung.
Sind im Falle einer Urteilsunfähigkeit Handlungen notwendig, für welche der Gesetzgeber kein Vertretungsrecht vorsieht, und liegt auch keine gültige Vollmacht vor, ist die Zustimmung der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) einzuholen. Letztere kann bei Bedarf auch eine entsprechende Massnahme verfügen, z.B. eine Beistandschaft anordnen.
Mit dem Tod tritt die Gesamtheit der Erben in die Rechte und Pflichten der verstorbenen Person. Die Erben müssen sich mittels eines amtlichen Erbscheines ausweisen, um über die Vermögenswerte des Erblassers zu verfügen bzw. Informationen von Drittpersonen zu erhalten. Der überlebende Ehegatte wird vom Gesetz grundsätzlich gleich wie die übrigen Erben behandelt. Ein Erbschein wird i.d.R. frühestens nach Ablauf der dreimonatigen Ausschlagungsfrist ausgestellt. Die Erben können nur gemeinsam und einstimmig für den Nachlass handeln.
Vollmacht
In allen Fällen, in welchen keine gesetzliche Vertretungsermächtigung gegeben ist, ist eine ausdrückliche Vollmacht erforderlich, um mit Wirkung für eine andere Person oder die eheliche Gemeinschaft tätig zu werden.
Eine andere Person kann für einzelne bestimmte Geschäfte ermächtigt werden, oder es kann ihr eine Generalvollmacht erteilt werden für alle Rechtshandlungen.
Damit sich eine bevollmächtigte Person rechtsgenügend ausweisen kann, ist die Vollmacht schriftlich zu erteilen. Geschäfte von besonderer Tragweite (z.B. Verkauf von Liegenschaften, Aufnahme von Darlehen, Prozessführung) sind in der Vollmacht ausdrücklich zu erwähnen. Dies gilt auch bei Erteilung einer Generalvollmacht oder Errichtung eines Vorsorgeauftrages. Bei wichtigen Geschäften, im Verkehr mit dem Ausland oder wenn Gefahr besteht, dass die Vollmacht angezweifelt wird, insbesondere im vorgerückten Alter, ist es ratsam, die Unterschrift von einem Notar oder - je nach Ort - auf der Gemeindeverwaltung beglaubigen zu lassen.
Eine Vollmacht kann jederzeit widerrufen oder abgeändert werden.
Achtung: Soll eine Vollmacht nach dem Tod oder nach Eintritt einer Urteilsunfähigkeit weitergelten, muss dies in der Vollmacht ausdrücklich festgehalten werden.
Darüber hinaus untersteht eine Vollmacht, die erst mit Eintritt der Urteilsunfähigkeit Wirkung entfalten soll, den besonderen Schutzvorschriften des Vorsorgeauftrages (eigenhändige Errichtung oder öffentliche Beurkundung, Prüfung und Inkraftsetzung durch die KESB). Bei länger dauernder Urteilsunfähigkeit ist die Akzeptanz einer einfachen Vollmacht unsicher, auch wenn letztere bereits vor Eintritt der Urteilsunfähigkeit wirksam war. Zur Absicherung eines solchen Falles empfiehlt sich, zusätzlich zu einer Vollmacht, die frühzeitige Errichtung eines Vorsorgeauftrages.
Die Errichtung einer einfachen Vollmacht kann jedoch eine sinnvolle Ergänzung zu einem Vorsorgeauftrag darstellen, da eine Urteilsunfähigkeit oft schleichend eintritt und die Prüfung und Inkraftsetzung eines Vorsorgeauftrages durch die KESB Zeit beanspruchen.
Bankvollmachten
Die meisten Banken akzeptieren nur die von ihnen erstellten Vollmachten. Um auch bei Abwesenheit oder gesundheitlicher Beeinträchtigung die Verfügungsfähigkeit und den Zugriff auf Bankinformationen zu gewährleisten, ist einer Vertrauensperson eine Bankvollmacht zu erteilen, selbst wenn eine Generalvollmacht besteht.
Wenn eine Bank vom Tod oder der Urteilsunfähigkeit einer Person erfährt, sperrt sie vorläufig die Geschäftsbeziehung, um unrechtmässige Bezüge zu verhindern. Auch wenn eine Vollmacht über den Tod oder die Urteilsunfähigkeit hinaus besteht, verweigern die Banken in der Regel eine Auszahlung vom Konto der verstorbenen oder urteilsunfähigen Person wie auch Verfügungen über deren Vermögen. Die Verfügungsvollmacht wird sistiert. Dies kann nahe Angehörige, insbesondere überlebende Ehegatten, hart treffen. Ausnahmen werden teilweise in beschränktem Ausmass gestattet, indem Rechnungen z.B. für Bestattungskosten, medizinische Behandlungen, Mieten, Strom und Aufwendungen des täglichen Bedarfs bezahlt werden.
Um dem überlebenden Ehegatten die Verfügungsfähigkeit zu erhalten, gibt es folgende Möglichkeiten:
- Am einfachsten ist es, wenn jeder Ehegatte über ein separates Konto verfügt, welches nur auf seinen Namen lautet, und über welches er frei verfügungsberechtigt ist.
- Es gibt spezielle Gemeinschaftskonti (compte joint, und/oder-Konto), bei welchen jeder Ehegatte gleichermassen berechtigt ist und die im Todesfall eines Berechtigten von der Bank nicht gesperrt werden. Es empfiehlt sich, im Einzelfall mit dem Bankberater zu klären, ob die entsprechenden Voraussetzungen dafür erfüllt sind, d.h. ob Bezüge auch nach dem Tod eines Kontoinhabers von der Bank noch zugelassen werden (die Bezeichnungen und Praxis der Banken ist nicht einheitlich).
Auch wenn die Bankkonti der verstorbenen Person gesperrt werden, bleiben die Auskunftsrechte der bevollmächtigten Person bestehen. Grundsätzlich können alle Erben von der Bank Auskunft über die Verhältnisse des Erblassers verlangen. Wenn jedoch eine Bankvollmacht mit Wirkung über den Tod hinaus besteht, gelangt der bevollmächtigte Erbe rascher und einfacher an die für die Verwaltung des Nachlasses und die Erbteilung erforderlichen Informationen, als wenn er auf den Erbschein warten muss. Ohne bestehende Vollmacht sind die Banken (auch gegenüber Ehegatten) an das Bankgeheimnis gebunden.
Da die Bank nach Kenntnis des Todes oder der Urteilsunfähigkeit auch den Zutritt zum Schliessfach verweigert, sollten Testament, Ehe- und Erbvertrag, Vorsorgeauftrag und Vollmacht nicht im Banksafe aufbewahrt werden. Als Alternative zur Aufbewahrung im Banktresor stellen die meisten Kantone eine kostenpflichtige amtliche Hinterlegungsstelle zur Verfügung.
Anlagevorschriften
Wird bei fehlendem Vorsorgeauftrag über eine urteilsunfähige Person eine Beistandschaft errichtet, ist ihr Vermögen sehr restriktiv (mündelsicher) gemäss der Verordnung über die Vermögensverwaltung im Rahmen einer Beistandschaft oder Vormundschaft anzulegen. Zu berücksichtigen sind hohe Sicherheitskriterien mit eingeschränkten Anlagemöglichkeiten, welche mit einem entsprechend geringen Ertrag verbunden sind. Gewisse Anlagen bedürfen zudem der Bewilligung durch die KESB.
Erfüllen die Vermögensanlagen, die im Zeitpunkt der Errichtung der Beistandschaft bestehen, die Voraussetzungen gemäss der genannten Verordnung nicht, müssen sie innert angemessener Frist umgewandelt werden.
Soll das Vermögen auch nach Eintritt einer Urteilsunfähigkeit unabhängig von den Vorgaben der Verordnung verwaltet werden können, braucht es dazu einer ausdrücklichen Ermächtigung. Mit einem Vorsorgeauftrag kann eine solche erteilt und allenfalls zusätzlich mit konkreten Weisungen verbunden werden.
Zusammenfassung
Um sicherzustellen, dass bei einer Abwesenheit oder gesundheitlichen Beeinträchtigung die Verfügungsmöglichkeit nahestehender Personen gewährleistet bleibt und die Vermögensvorsorge nach Ihren Vorstellungen erfolgt, kann die Errichtung einer Vollmacht bzw. eines Vorsorgeauftrages sinnvoll sein. Auch im Todesfall kann eine zu Lebzeiten errichtete Vollmacht das Leben der Angehörigen erleichtern. Für die Entscheidung, ob eine Vollmacht respektive ein Vorsorgeauftrag erteilt und wie diese allenfalls ausgestaltet werden, sind die persönlichen Verhältnisse und Beziehungen zu berücksichtigen.
Bei der Erteilung von Vollmachten bezüglich Bankgeschäfte sind die speziellen Vorgaben der Banken zu berücksichtigen.
Um einschneidende Überraschungen zu vermeiden, lohnt es sich, frühzeitig zu klären, welche Konsequenzen die Urteilsunfähigkeit oder der Tod von Ihnen oder Ihren Lieben auf bestehende oder vorgesehene Ermächtigungen hätte.
ChecklisteWir empfehlen Ihnen, folgende Punkte abzuklären, und allenfalls entsprechende Massnahmen einzuleiten:
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Packen Sie es an! Treffen Sie optimierende Massnahmen und informieren Sie die Betroffenen. Wir unterstützen Sie gerne dabei.
1 Für die einfachere Lesbarkeit wird nachfolgend auf die Erwähnung der eingetragenen Partner verzichtet. Die Ausführungen betreffend die Ehegatten gelten analog für die eingetragenen Partner. Zudem wird im Folgenden, ebenfalls aus Gründen der besseren Lesbarkeit, die männliche Sprachform verwendet; die Angaben beziehen sich auf Angehörige aller Geschlechter.