Projektmanagement in Gemeinden

Gemeindebrief 1/2022

Welches sind die Gründe, dass Vorhaben im öffentlichen Sektor vielfach scheitern oder teurer werden als veranschlagt? Die Ursache ist häufig in mangelnder Planung oder einem fehlenden Projektmanagement zu finden. Davon betroffen sind nicht nur grosse Tunnelbauten oder umfangreiche IT-Projekte.

Gerade kleinere und mittlere Gemeinden sind mit der zunehmenden Komplexität eines Projekts vielfach stark gefordert.

Wenn Erfahrung und Know-how fehlen 

Alle politischen Gemeinden, egal ob gross oder klein, müssen im Rahmen der öffentlichen Aufgabenerfüllung teilweise grosse Vorhaben planen und umsetzen. Sei es ein Neubau eines Schulhauses oder einer Mehrzweckhalle, ein Sanierungsprojekt der Wasserversorgung, ein Digitalisierungsprojekt in der Verwaltung oder die Beschaffung eines Bauamtfahrzeuges. Diese Beispiele zeigen auf, dass es sich dabei um einmalige, teils komplexe und kostenintensive Projekte handelt. Für diese sind keine oder kaum Erfahrungswerte vorhanden, weshalb sie im Grundsatz risikobehaftet sind. 

Weil innerhalb der Verwaltung häufig fundiertes Know-how im Projektmanagement fehlt, setzen vor allem die kleinen Gemeinden auf die politische Ebene. Von gewählten Milizpolitikerinnen und Milizpolitikern wird erwartet, dass sie sich für Projektleitungen zur Verfügung stellen. So wurde das berufliche Wissen der Bürgerinnen und Bürger in der Vergangenheit optimal und kostensparend im öffentlichen Dienst eingesetzt. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt jedoch, dass stark engagierte Personen nicht mehr bereit sind, sich neben Job und Privatleben für ein öffentliches Amt zur Verfügung zu stellen. Es öffnet sich somit ein Vakuum bei der Projektabwicklung, das in der Praxis zu Frustration und auch zu chaotischen Projekten führen kann.


Standardisierung als Erfolgsfaktor

Ein standardisiertes Projektmanagement bringt Vorteile:

  • Höhere Erfolgsquote von Projekten und Minimierung der Projektrisiken.
  • Einheitliche Anwendung einer Projektmanagement-Methode und dadurch höhere Verbindlichkeit in der Ausführung. Schaffung eines Orientierungsrahmens für alle Beteiligten.
  • Transparenter Ablauf von Projekten mit klaren Meilensteinen bis zum Projektabschluss.
  • Übersicht über alle laufenden Projekte.
  • Weiterentwicklung der Organisation und Dokumentation von Erfahrungen («lessons learned»).
  • Verbesserte Ressourcenplanung im Bereich Personal und Finanzen. Folglich eine tragfähige Basis für die Priorisierung bzw. den Entscheid «intern vs. extern».

Die erste Herausforderung besteht bereits darin, ein Projekt als solches zu erkennen bzw. zu definieren. Diesbezüglich empfiehlt es sich, in der Organisation klare Kriterien festzulegen, nach denen ein neues Vorhaben als Projekt bearbeitet wird. Es empfiehlt sich, bereits im strategischen Zielsetzungsprozess (Legislaturplanung, Jahresplanung, Finanzplanung, Budget) zu definieren, welche Vorhaben als Projekte geführt werden sollen.

Teammeeting

Typische Merkmale von Projekten:

  • Zeitlich befristet mit einem klar definierten Start und Abschluss.
  • Einmaligkeit und fehlende Erfahrung.
  • Komplexität und viele Faktoren, die untereinander in einer Wechselbeziehung stehen.
  • Begrenzte Ressourcen (Personal, Sachmittel, Finanzen).
  • Risikobehaftet, da Erfahrungswerte fehlen und Projekte oft kostenintensiv sind.

Eine einheitliche Methode als Standard wählen

Sobald ein Vorhaben als Projekt erkannt und definiert wurde, gilt es, dieses Projekt zu initialisieren, zu entwickeln bzw. zu bearbeiten. Die Auswahl an Projektmanagement-Methoden ist gross und je nach Produkt oder Branche kann die Wahl zwischen agil und strukturiert verschieden ausfallen. Als eine bewährte Projektmanagement-Methode für öffentliche Verwaltungen hat sich «Hermes 5.1» herausgestellt. Hermes wird von der Bundesverwaltung sowie von zahlreichen Kantonen als Standard angewendet, bietet eine klare, einfach verständliche Methodenstruktur und ist modular aufgebaut sowie erweiterbar. Für die weiteren Ausführungen in diesem Gemeindebrief beziehen wir uns auf «Hermes 5.1», wobei je nach Organisationsgrad bewusst vom Standard abgewichen werden darf und soll. 

Das erfolgreiche Führen von Projekten hängt von der Fachkompetenz ab, die für das konkrete Vorhaben benötigt wird. Daneben sind auch Führungsfähigkeiten sowie methodische und betriebswirtschaftliche Kompetenzen gefragt.


Die Projekt-Governance

Weil Projekte fast immer ausserhalb der Linienorganisation umgesetzt werden, wird eine separate Projektorganisation benötigt. Dabei ist ein einheitliches Rollenmodell ein wichtiger Erfolgsfaktor. Man unterscheidet zwischen den Rollen der Stammorganisation (bspw. Gemeinde) und der Projektorganisation. Die nachfolgende Abbildung zeigt eine minimale Projektorganisation mit den Rollen «Auftraggeber/in» und «Projektleiter/in». Weitere Rollen (z. B. Projektausschuss, Kommission, Teilprojektleiter/in etc.) werden nach Bedarf hinzugefügt. Im Sinne der Aufgabenteilung können Auftraggeber/ in und Projektleiter/in nicht dieselbe Person sein. Der/die Projektleiter/in rapportiert an den/die Auftraggeber/in, der oder die wiederum ist für die Freigabe der Meilensteine verantwortlich und rapportiert an die Stammorganisation.

Im Verlauf der Projektabwicklung wird die Projektorganisation kontinuierlich an die Bedürfnisse des Projekts angepasst.


Transparente Phasenplanung und Meilensteine

Ein Projekt läuft immer in mehreren Phasen ab. Ein Grundsatz dabei ist, dass man «vom Groben ins Detail» arbeitet und dabei die Planung, Realisierung und Einführung trennt. 

Bei Bedarf wird vor dem eigentlichen Hauptprojekt ein Vorprojekt durchgeführt, in welchem die Projektidee konkretisiert wird und wichtige Fragen der Machbarkeit geklärt werden. Verläuft das Vorprojekt positiv, kann das Hauptprojekt initialisiert werden. Wichtig zu wissen ist, dass ein Vorprojekt ein eigenes Projekt darstellt und nicht eine Phase des Hauptprojekts ist. 

Das Phasenmodell bildet das Rückgrat eines Projekts. Es gliedert den Lebenszyklus des Projekts und schafft die Voraussetzung für das gemeinsame Verständnis der Projektbeteiligten zum Projektablauf. Das Hermes-Phasenmodell besteht aus vier Phasen:

Phasenmodell

Rollenmodell

Jedes Projekt beginnt mit der Phase Initialisierung und dem Meilenstein «Projektinitialisierungsauftrag» und endet am Schluss der Phase Einführung mit dem Meilenstein «Projektabschluss». Jedes Phasenende ist durch einen Meilenstein bestimmt, der die Basis zum weiteren Vorgehen darstellt. Diese Meilensteine entsprechen den «Quality Gates», an denen der Stand des Projekts und die Qualität der Projektplanung und -Durchführung überprüft werden. Entlang der Phasen und Meilensteine erfolgt das Reporting bzw. Controlling. Das Phasenmodell bildet auch eine Grundlage für die finanzielle Steuerung des Projekts (bei Phasenfreigabe werden die Mittel für die nächste Phase bewilligt).


Der Projektauftrag – die Vereinbarung zwischen Auftraggeber/in und Projektleiter/in

Als wichtigster Meilenstein im Projekt werden die Erkenntnisse aus der Initialisierung im Projektauftrag zusammengefasst. Anschliessend kann der Entscheid zur Projektfreigabe erfolgen. Dieser ist für die Ausführung des Projekts verbindlich und gilt als Vereinbarung zwischen Auftraggeber/in und Projektleiter/in. Sollte sich während des Projekts eine Änderung aufdrängen, muss der (geänderte) Projektauftrag durch den/die Auftraggeber/in erneut freigegeben bzw. genehmigt werden.

Inhalte des Projektauftrags:

  • Ausgangslage
  • Projekt- und Vorgehensziele
  • Rahmenbedingungen & Abgrenzung
  • Lösungsbeschreibung
  • Strategiebezug und Umsetzung von Vorgaben
  • Rechtliche Grundlagen
  • Ressourcenbedarf (finanziell und personell)
  • Wirtschaftlichkeit
  • Phasen- sowie Meilensteinplanung und Projektorganisation (inkl. Kompetenzen der Projektleitung)
  • Risiken/Massnahmen.


Den Projektfortschritt verfolgen

Das Projektcontrolling (Soll-Ist-Vergleiche, Lenkung und Steuerung, Einleitung von Korrekturmassnahmen) ist in erster Linie eine Aufgabe der Projektleitung. Jedoch tragen die Verantwortlichen der Stammorganisation und auch der/die Auftraggeber/in eine Aufsichtsverantwortung und müssen somit regelmässig über das Projekt informiert werden. Während der/die Auftraggeber/in eine wichtige Rolle direkt in der Projektorganisation wahrnimmt und jeweils für die Freigabe der nächsten Phase verantwortlich ist (und somit direkt Einfluss nehmen kann), wird die Stammorganisation durch regelmässige Projektstatusberichte orientiert. Diese können entweder schriftlich oder mündlich an gemeinsamen Projektsitzungen erfolgen.


Vom Projektmanagement zum Management der Projekte

Für die strategische Führung der Gemeinde ist es zentral, laufend eine Übersicht über alle aktuellen und anstehenden Projekte und deren Status zu haben. Diese werden im Projektportfolio abgebildet. Aufgabe des Projektportfoliomanagements ist es, die Gesamtheit der Projekte übergeordnet zu steuern und zu kontrollieren.

Die Gliederung des Einzelprojekts nach einer einheitlichen Methode ist eine zentrale Voraussetzung, um das Projektportfoliomanagement optimal zu führen.

Die folgende Grafik zeigt das Zusammenspiel von Projektmanagement auf Stufe Einzelprojekt, Projektcontrolling, Projektportfoliomanagement und der politisch-strategischen Planung auf:

Grafik

Fazit

Das Einführen einer einheitlichen Projektmanagement-Methode und die Durchführung von Projekten nach standardisierten Prozessen mag auf den ersten Blick als Bürokratie bzw. als «Overkill» erscheinen. Auf den zweiten Blick führt der kluge Einsatz der entsprechenden Instrumente für alle Beteiligten zu einer transparenten Ausgangslage und einer effizienten Abwicklung der Projekte. Für ein erfolgreiches Projektmanagement sind folgende Erfolgsfaktoren wichtig:

  • Wille und Motivation, Projekte strukturiert und methodisch durchzuführen.
  • Einheitliche Dokumentvorlagen (Projektauftrag, Projektschlussbeurteilung etc.).
  • Eine verständliche Dokumentation im Sinne eines Projekthandbuchs und einer Instruktion/Schulung der von Projekten betroffenen Mitarbeitenden und Gemeinderäten.
  • Eine Person in der Verwaltung, welche die Einhaltung der Standards sicherstellt und die Verbindung zur «Stammorganisation » gewährleistet.
  • Abstimmung auf die übrigen Managementsysteme der Gemeinde: Projektportfoliomanagement, Legislaturplanung, Jahresplanung, Finanz- und Investitionsplanung, Budget, operativer Zielsetzungsprozess sowie die Kommunikationsplattformen.

Die praxiserprobten Expertinnen und Experten von BDO verfügen über grosse Erfahrung bei der Durchführung von unterschiedlichen Projekten. Wir beraten Sie gerne hinsichtlich methodischer und fachlicher Aspekte in Bezug auf Ihr Projekt. Profitieren Sie von unserem Know-how und einer qualifizierten Aussensicht.

Unsere Expertinnen und Experten von BDO und publicXdata stehen Ihnen gerne beratend und unterstützend zur Seite.

Hier finden Sie die den vollständigen Gemeindebrief als PDF zum Download: