Zusammenschluss von Spitex-Organisationen

Zusammenschluss von Spitex-Organisationen

Wie gelingt ein Zusammenschluss zu einer Interkommunalen selbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt (IKA)?

Es war ein langer Weg, aber nun ist das Ziel erreicht: Die Vereine Spitex Aare Nord, Spitex Aarau und Spitex Buchs Aargau sowie die Gemeinden Küttigen, Biberstein, Erlinsbach AG, Buchs und die Stadt Aarau haben sich zusammengeschlossen, um die neu zu gründende IKA «Spitex Region Aarau» zu bilden, die ab dem 1. Juli 2024 in Betrieb sein wird.

Alles begann mit einem Projekt der Stadt Aarau. Im Jahr 2020 startete die Stadt Aarau im Rahmen von «aarau regio» eine Reihe von Projekten, um die überkommunale Zusammenarbeit in der Region zu stärken. Zu diesen zählten unter anderem:

  • Die Traglufthalle Schwimmbad Suhr, Buchs, Gränichen
  • Jurapark-Velolandroute Nr. 908
  • Das Landschaftsqualitätsprojekt (LQ-Projekt)
  • Die Analyse von sechs Spitex-Organisationen in der Region Aarau und die Ausarbeitung verschiedener Zukunftszenarien unter dem Titel «Spitex-Organisationen Region Aarau»

Das Ursprungsprojekt «Spitex-Organisationen Region Aarau» startete in den Jahren 2020 und 2021 mit der Teilnahme von zwölf Gemeinden (Aarau, Biberstein, Buchs, Densbüren, Erlinsbach AG, Gränichen, Kölliken, Küttigen, Muhen, Oberentfelden, Suhr und Unterentfelden) sowie sechs Spitex-Organisationen (Aarau, Aare Nord, Suhr, Suhrental Plus, Buchs und Gränichen).

Im Folgeprojekt, das die Weiterverfolgung eines möglichen Zusammenschlusses der Spitex-Organisationen zum Ziel hatte, haben sich schliesslich drei Spitex-Vereine und fünf Gemeinden zur Teilnahme entschlossen. Hierbei handelte es sich um die Vereine Spitex Aare Nord, Aarau und Buchs Aargau sowie die Gemeinden Küttigen, Erlinsbach, Biberstein, Buchs und die Stadt Aarau.
Logos-Gemeinden-und-Spitex

Der Grundstein für die «Spitex Region Aarau» wurde gelegt, doch es standen verschiedene offene Fragen im Raum:

  • Welchen Nutzen bringt ein Zusammenschluss?
  • Welche Rechtsform soll gewählt werden?
  • Wie soll die Finanzierung gestaltet werden?

Bei einem Projekt dieser Grössenordnung war es entscheidend, sich ausreichend Zeit zu nehmen, um alle Fragen eingehend zu diskutieren und gemeinsame Lösungen zu finden. Nur so konnte ein solides Fundament für den zukünftigen Zusammenschluss geschaffen werden.


 "Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament bleiben" (Aristoteles) 

BDO hat den Prozess des Zusammenschlusses der drei Spitex-Organisationen von der Neuinitialisierung im Dezember 2022 bis zur bevorstehenden Neugründung der IKA und deren Umsetzung begleitet. BDO hat sich in allen Phasen als kompetente Ansprechpartnerin sowohl für die Spitex-Organisationen als auch für die Gemeinden und die Stadt erwiesen.

Welchen Nutzen bringt ein Zusammenschluss?

Die Arbeit in der Spitex hat sich zu einer hochkomplexen Aufgabe entwickelt, die für das Gesundheitswesen von grosser Bedeutung ist. Angesichts dieser Komplexität ist eine Organisation mit grösserer Reichweite in der Versorgung für die Zukunft unerlässlich. Ein Zusammenschluss bietet die Möglichkeit, Synergieeffekte in verschiedenen Bereichen zu nutzen und im Markt der ambulanten Pflege wettbewerbsfähig zu bleiben, trotz steigendem Kosten- und Konkurrenzdruck. Die Vorteile eines Zusammenschlusses umfassen:

  • Stärkung und Professionalisierung der spezialisierten Pflege in Bereichen wie der ambulanten Psychiatrie, Palliative Care, Wundpflege, Onkologie, Demenz etc.
  • Erweiterung des Angebots des «Skill and Grade Mixes» in allen Berufsgruppen und ein gezielter und professioneller Einsatz der vorhandenen Ressourcen.
  • Vermeidung von Kapazitätsengpässen durch Fachkräftemangel und erschwerte Rekrutierung.
  • Vereinheitlichung von Abläufen und Standards in Bereichen wie Kundenadministration, IT-Infrastruktur, Raumaufwand, Versicherungen, Aus- und Weiterbildung etc.
  • Bündelung von Fachwissen, Verbesserung der administrativen Prozesse und Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen in den Bereichen Finanzen und HR.
  • Bessere Erfüllung der Erwartungen und Ansprüche der externen und internen Stakeholder, einschliesslich Mitarbeitende, Kunden, Behörden, Politik etc.
  • Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung für die Einwohnerinnen und Einwohner in der Region Aarau mit einem Angebot «aus einer Hand».

Welche Rechtsform soll gewählt werden?

Es gibt verschiedene Rechtsformen, die für eine Spitex-Organisation dieser Grösse in Betracht gezogen werden können:

Öffentlich-rechtliche Rechtsformen:

  • Gemeindeverband
  • Interkommunale selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt (IKA)

Privatrechtliche Rechtsformen (definiert durch das ZGB bzw. OR):

  • Verein
  • Stiftung
  • Aktiengesellschaft (allenfalls GmbH)

Hauptunterschiede zwischen einer Aktiengesellschaft und einer interkommunalen Anstalt (IKA):

  Aktiengesellschaft Interkommunale Anstalt (IKA)
Aufsicht Nur durch Aktionäre Durch Mitgliedsgemeinden sowie staatliche Aufsicht (Kanton, Gemeindeabteilung, Finanzaufsicht)
Rechnungslegung Obligationenrecht Öffentliches Rechnungslegungsmodell (HRM2) oder Branchenstandard
Personalrecht Nur privatrechtliche Arbeitsverhältnisse Privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse möglich
Haftung Ausschliesslich Aktienkapital Dotationskapital und Ausfallhaftung durch Mitgliedsgemeinden
Rechtsweg Privatrechtlich (Friedensrichter, Bezirksgericht) Öffentlich-rechtlich (Verwaltungsgericht)
Demokratische Rechte Keine (allenfalls die Zeichnung von Aktienkapital) Gründung, Auflösung
 
Die drei Spitex-Vereine, die Gemeinden und die Stadt haben sich für die Rechtsform der interkommunalen Anstalt (IKA) entschieden.

Die IKA ist eine selbständige öffentlich-rechtliche Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit gemäss § 82a des Gemeindegesetzes des Kantons Aargau. Diese Rechtsform wurde durch eine Änderung des Gemeindegesetzes im Jahr 2019 ermöglicht.

Die IKA übernimmt bestimmte rechtlich unabhängige und öffentliche Aufgaben für die Gemeinden. Ihre Rechtsgrundlage liegt in einer Anstaltsordnung, die die Grundzüge der Organisation, die Art und den Umfang der zu erbringenden Leistung, die betriebswirtschaftlichen Führungsgrundsätze sowie das finanzielle Verhältnis zwischen den Mitgliedern und der Anstalt festlegt.

Diese Rechtsform gewährleistet einerseits eine grösstmögliche Autonomie für die neue Spitex-Organisation «Spitex Region Aarau», andererseits bleibt sie innerhalb der Grenzen des öffentlichen Rechts (Aufsicht, Rechnungslegung, Haftung).

Die interkommunale Anstalt bildet das rechtliche Gerüst für den Betrieb. Durch die konkrete Ausgestaltung der Anstaltsordnung und gegebenenfalls der Eignerstrategie kann die IKA ihren Zweck sehr autonom verfolgen.

Aufbau der neu zu gründenden IKA «Spitex Region Aarau» (per 1. Juli 2024):



 

Wie soll die Finanzierung gestaltet werden?

Aufteilung des Dotationskapitals:

Die Aufteilung des Dotationskapitals der IKA erfolgt nach folgendem Schema:

  • Öffentliche Hand (Gemeinden/Stadt): 75 Prozent
  • Spitex-Vereine: 25 Prozent

Die Verteilung des Anteils der öffentlichen Hand basiert auf der Bevölkerungszahl der einzelnen Gemeinden und der Stadt zum Stichtag 1. Januar 2021. Die Aufteilung des Kapitalanteils unter den Spitex-Vereinen richtet sich nach den KLV-Leistungsstunden per 31. Dezember 2021.

Finanzierung der Restkosten:

Für die Verteilung der Restkosten unter den angeschlossenen Gemeinden und der Stadt wurden während der Planungsphase drei Modelle geprüft:

  • Variante 1: Verteilung der Restkosten im Verhältnis zur Einwohnerzahl zwischen den Gemeinden/Stadt (Status Quo).
  • Variante 2: Verteilung der Restkosten basierend auf den verrechenbaren Leistungsstunden pro Gemeinde/Stadt.
  • Variante 3: Diese Variante ist eine Kombination der ersten beiden Modelle, bei der 20 Prozent der Restkosten nach Einwohnerzahl (Sockelbeitrag) und 80 Prozent der Restkosten basierend auf den verrechenbaren Stunden verteilt werden.
Die Projektsteuerung empfiehlt, die Restkosten der neuen Spitex-Organisation ab 2025 nach der Variante 3 unter den Leistungsbezügern zu verteilen.

Dieser Verteilschlüssel berücksichtigt sowohl das Verursacherprinzip als auch das Solidaritätsprinzip, da einwohnerstärkere Gemeinden einen grösseren Beitrag zur Deckung der Restkosten beitragen als einwohnerärmere Gemeinden.

Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten bestätigen, dass diese Methode der Kostenverteilung dem aktuellen Standard bei Reorganisationen im Gesundheitswesen entspricht und die Entscheidung der Projektsteuerung unterstützt.

Wie geht es weiter?

Die Gründung der Spitex Region Aarau wurde von den Spitex-Vereinen Aare Nord, Aarau und Buchs Aargau an den Generalversammlungen vom 31. Oktober 2023 beschlossen. In den Monaten November und Dezember 2023 folgten die Abstimmungen an den Gemeindeversammlungen der Gemeinden Küttigen, Erlinsbach, Biberstein, Buchs und im Einwohnerrat der Stadt Aarau. In allen beteiligten Gemeinden und Vereinen fand das Vorhaben eine deutliche Mehrheit.

Ein von den Gründungsmitgliedern eingesetzter Eignerausschuss, der als Aufsichtsgremium fungiert, wählte im März 2024 die Mitglieder des Verwaltungsrats. Zu den ersten Aufgaben des neu gewählten Verwaltungsrats gehören unter anderem die Erstellung eines Organisationsreglements, die Ernennung der Geschäftsführung sowie mittelfristig die Ausarbeitung eines Leitbilds und einer Unternehmensstrategie.

Die Spitex Region Aarau wird ihren Betrieb am 1. Januar 2025 aufnehmen. Während der Startphase von etwa zwei Jahren bleiben die bestehenden Spitex-Standorte erhalten. Danach wird der Verwaltungsrat im Einklang mit der Unternehmensstrategie über die Zukunft der Standorte entscheiden.