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Interimsmanagement bezeichnet einen zeitlich befristeten Management-Einsatz in einem Unternehmen, in einer Verwaltung oder Non-Profit-Organisation. Mit welchen Besonderheiten ein Interimseinsatz bei NPOs verbunden ist und welche Hürden es allenfalls zu überwinden gilt, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Historischer Kontext
In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts kam diese Form des vorübergehenden Managements in Unternehmen in Europa vermehrt auf. Es ermöglichte die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die Möglichkeit, die langen Kündigungsfristen von Mitarbeitenden mit einer externen Fachperson aufzufangen.
Der Gedanke der Vertretung und Fortführung von Geschäften ist indes nicht neu. Bereits im Mittelalter gab es sogenannte Reichsvikare und -verweser, die während einer Vakanz bis zur Bestimmung des offiziellen (Thron-)Nachfolgers die Stellvertretung übernahmen und die laufenden Geschäfte fortführten.
Einsatzarten im Interimsmanagement
Die Einsatzgebiete für ein Interimsmandat sind breit gefächert. Dennoch überwiegt oft die Funktion der Krisenmanagerin bzw. des Krisenmanagers, weil eine Führungskraft die Organisation plötzlich verlassen hat oder Personal kurzfristig ausgefallen ist. Häufig bestehen ein gewisser Leidensdruck und eine Dringlichkeit zum Handeln. Etwa, wenn es «brennt» und man auf externe Hilfe angewiesen ist, um die «Kohlen aus dem Feuer» zu holen, um wieder in ruhigere Fahrwasser zu kommen. Es gibt auch Fälle, in denen es lediglich darum geht, das Tagesgeschäft weiterzuführen oder die Brücke zwischen dem ehemaligen Stelleninhaber und der neuen Funktionsträgerin (die erst später verfügbar sein wird) zu schlagen.
Verbreitet sind Einsätze in der Rolle als interimistische Geschäftsführung. Aber auch die Querschnittsfunktionen Leitung Finanzen oder Personal wie auch Sachbearbeitungstätigkeiten werden regelmässig als Interimsmandate ausgeführt. Die Einsatzdauer ist mandatsabhängig, es zeichnen sich jedoch zwei Tendenzen ab. Gemäss dem Schweizerischen Dachverband für Interimsmanagement dauern rund die Hälfte der Mandate bis zu 4 Wochen, die andere Hälfte bedeutend länger (bis zu einem Jahr und mehr).
Besonderheiten in NPOs
Sachzieldominanz
NPOs sind in der Gestalt und im Tätigkeitsfeld sehr heterogen. Ihnen gemein ist die in der Regel sehr hohe Werteorientierung und Sachzieldominanz sowie Zweitrangigkeit der finanziellen (Rendite)Ziele. Oft ist der Finanzierungsmix komplex und setzt sich aus öffentlichen Geldern, privaten Spendern, Mitgliederbeiträgen und Drittleistungen zusammen. Dies hat zur Folge, dass sich die Interimsmanagerinnen und -manager nicht allein auf ihre betriebswirtschaftlichen Konzepte der Effizienz und Effektivität abstützen können, sondern «die Seele» der NPO und insbesondere deren Kultur entsprechend zu würdigen und zu berücksichtigen haben.
Komplexe Führungsstrukturen
NPOs besitzen zudem sehr oft komplexe Führungsstrukturen mit einem herausfordernden Zusammenspiel von ehrenamtlich-strategischem Leitorgan, hauptamtlicher Geschäftsstelle mit Angestellten und freiwilligen Helfern. Der Vorstand oder der Stiftungsrat sind somit eigentlich per Definition für die Oberleitung der NPO zuständig, haben aber manchmal weder die fachlichen noch die zeitlichen Ressourcen, dies mit der notwendigen Detailtiefe und Professionalität zu tun. Dies bedeutet, dass der Interimsmanager in der Zusammenarbeit mit dem strategischen Leitorgan sehr fokussiert und selbständig vorgehen muss. Er muss dabei die miliztaugliche Balance finden zwischen, proaktivem und stufengerechten «Einbinden» des Vorstandes oder Stiftungsrates versus «Ausnutzen» des eigenen Handlungsspielraums.
Aversion gegen Externe
Viele NPOs weisen einen familiären Charakter auf. Gerade in grossen Freiwilligenorganisationen engagieren sich die Mitglieder sehr stark in ihrer Freizeit und haben in der Regel ein sehr hohes Commitment für die Sache. Eine externe Expertin kann daher mit Argusaugen betrachtet werden und muss zuerst beweisen, dass sie mit Herz bei der Sache ist und nicht monetäre Beweggründe an erster Stelle stehen.
Vorteile
Flexibler und zeitnaher Einsatz für eine akute Engpassbeseitigung
Interimsmanager sind wahre Krisenmanager und sind es sich in der Regel gewohnt, kurzfristig wie Sprinter zu Höchstform aufzulaufen. Sie sind durch das Auftragsverhältnis oft sehr flexibel einsetzbar und können Engpässe schnell und wirksam beseitigen.
Fachexpertise
Die Interimsmanagerin bringt durch ihre bisherige Berufs- und Lebenserfahrung die fallspezifische Expertise in die Organisation ein, die intern nicht oder nicht zeitnah vorhanden ist.
Neutraler Aussenblick
Der Interimsmanager hat einen neutralen Aussenblick und wägt die Vor- und Nachteile im Sinne der Sache personenunabhängiger ab. Dies kann zu einer Versachlichung von Konfliktsituationen und zu einer raschen Beruhigung der Gesamtsituation führen. Ebenso kann der Interimsmanager aufgrund seiner Projekterfahrung oft allgemeine Inputs zur Optimierung geben, da er mit der Best Practise vertraut ist.
Unabhängigkeit von Mikropolitik
Die provisorisch beauftragte Externe ist eine Managerin auf Zeit. Das heisst, sie kann unabhängig von der Mikropolitik innerhalb der Organisation agieren. Sie setzt durch ihre unpopulären Entscheide keine interne Karriere aufs Spiel und kann sich weitestgehend den machtpolitischen Ränkespielen entziehen.
Hürden
Interimsmanagement ist kein Selbstläufer
Auch erfahrene Interimsmanager benötigen ein Mindestmass an Führung und Rahmenbedingungen. Es braucht einen regelmässigen Austausch zwischen dem Auftraggeber und der Auftragnehmerin über die Zielerreichung und die Handlungsrichtlinien.
Ebenso fallen insbesondere bei NPOs oft die finanziellen und zeitlichen Ressourcen ins Gewicht. Der Einsatz einer Interimsmanagerin ist mit (Zusatz-)Kosten verbunden, aber es ist eine Investition für die Zukunft, die sich längerfristig lohnt.
Interimsmanager sind keine Magier
Wichtig ist die Auftragsklärung zu Beginn und das Abstecken von Erwartungen. Wenn sie erst um 5 nach 12 zur Hilfe gerufen wird und bereits zu viel Wasser im Schiff ist, kann auch die beste Interimsmanagerin den Untergang nicht mehr verhindern. Sie kann aber dafür sorgen, dass der strategische Rückzug geordnet und würdevoll vonstattengeht.
Verankerung auf oberster Führungsebene
Interimsmanager werden oft bei Wendepunkten von Organisationen eingesetzt. Die vom Change (negativ) betroffenen Personen leisten dabei teilweise offenen Widerstand. Da ist es wichtig, dass der Interimsmanager unmissverständlich durch das strategische Leitorgan gestützt wird und sich die oberste Führungsebene der NPO hinter die (unpopulären) Entscheide stellt.
Erfolgsfaktoren
Fachkompetenz
Der Kern eines Interimseinsatzes ist der Einkauf der fachlichen Expertise auf Zeit. Es ist wichtig, dass Sie sich ein genaues Bild davon machen, welchen spezifischen Erfahrungsschatz (Ausbildung, Beruf, Leben) potenzielle Kandidatinnen bzw. Kandidaten mitbringen. Interimsmandate sind in der Theorie eher aufgabenorientiert; je höher die fachliche Kompetenz, desto höher ist die Akzeptanz innerhalb der Organisation.
Soziale Kompetenz
Für Interims-Einsätze sind auch zwischenmenschliche Fähigkeiten zentral. Abgesehen vom Sonderfall der raschen Liquidation wird ein kaltblütiger Vollstrecker in der Regel rasch Schiffbruch erleiden und gegen massive Widerstände anrennen. Die Fähigkeit ein gegenseitiges Verständnis und ein respektvolles Klima aufzubauen, muss unbedingt gegeben sein. Gerade in Changeprozessen ist es essenziell, von den Schlüsselpersonen ein Commitment für den Wandel zu bekommen. Dabei geht es insbesondere darum, Widerstände aufzunehmen und mit diesen professionell sowie menschlich umzugehen.
Klare Verhältnisse schaffen
Es ist wichtig, dass der Interimseinsatz vom strategischen Leitorgan transparent angekündigt wird und dass auch über die Rolle, die Ziele, Rahmenbedingungen und Zeitdauer in der Organisation Klarheit herrscht. Regeln Sie dabei auch die Entscheidungswege, Kompetenzen und etwaige Stellvertretungen.
Fokus auf die Fortführung laufender Geschäfte
In aller Regel geht es darum, den laufenden Betrieb zu stabilisieren und aufrecht zu erhalten. Ausser im Fall der raschen Liquidation sollten Interimsmanager ihre Rolle mit einer gewissen Demut und Zurückhaltung ausüben. Insbesondere wenn es um längerfristig strategische Entscheide geht, die dann von der offiziellen Nachfolgerin verantwortet werden müssen.
Ausreichend lange Einsatzdauer
Jeder Mensch braucht eine gewisse Wegstrecke, um auf Touren zu kommen. Das ist auch beim erfahrensten Interimsmanager der Fall. Stellen Sie sicher, dass die ausgewählte Person nur so lange wie nötig im Einsatz ist, allerdings lange genug, um Wirkung entfalten zu können.
Stützung durch das strategische Leitorgan
Wie bereits vorgängig erwähnt, sind Interims-Einsätze oft «Feuerwehr-Einsätze», die mit Unwägbarkeiten, Unsicherheiten und Widerständen in der Organisation verbunden sein können. Zentral ist dabei die Rückendeckung vom strategischen Leitorgan, wenn es darum geht, die unpopulären Entscheide zu Gunsten der längerfristigen Zukunft der Organisation zu fällen oder umzusetzen.
Fazit
Interimsmanagement ist eine wertvolle, nützliche Sache und ist dann von Erfolg gekrönt, wenn gewisse Rahmenbedingungen eingehalten werden. Besonders wichtig ist, dass die «provisorisch» installierte Person über einen klaren Handlungsrahmen und ein klares Rollenprofil verfügt. Ebenso muss die Gesamtverantwortung für strategisch wichtige (teilweise unpopuläre) Entscheide vom strategischen Leitorgan getragen werden und darf nicht an Statthaltende abdelegiert werden.
Alles klar beim Thema Interimsmandat?
BDO steht Ihnen mit einer Vielzahl von Expertinnen und Experten zur Seite, die über das notwenige Fachwissen auf Führungsebene wie auch in der Sachbearbeitung verfügen. Sie weisen die nötige Lebenserfahrung auf, um auch herausfordernde Situationen während eines Interimseinsatzes zu meistern.
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