Fünf «Evergreens» der Rechnungslegung
Fünf «Evergreens» der Rechnungslegung
Evergreen 1 - Detailierungsrad der Jahresrechnung
Eine Jahresrechnung sollte eine «schlichte Eleganz» ausstrahlen. Weder sollte sie ein Übermass an Details enthalten, so dass der Bilanzleser vor lauter «Bäumen den Wald nicht mehr sieht», noch sollte die Jahresrechnung zu knapp gehalten sein und keinen vernünftigen Einblick ermöglichen. Während Letzterem die Mindestgliederung entgegenwirkt, beobachten wir bei Ersterem, dass Jahresrechnungen teilweise bis auf die Kontenebenen dargestellt werden und sich so über eine Vielzahl von Seiten erstrecken.
Der Gedanke der Wesentlichkeit ist ausschlaggebend. Wo es sinnvoll erscheint, können Zusammenfassungen vorgenommen werden. Ein Betrag von 12.50 Franken Bankspesen darf durchaus dem Finanzaufwand angegliedert werden und sollte nicht separat aufgeführt sein, da diese Detaillierung dem Bilanzleser keinen Erkenntnisgewinn bringt.
Die Jahresrechnung sollte ein zuverlässiges Bild der Vermögens- und Finanzlage ermöglichen - da ist manchmal weniger mehr. Sinnvolle zusätzliche Angaben und Erweiterungen zu einzelnen Bilanz- und Erfolgsrechnungspositionen sollten, sofern sie denn nötig sind, im Anhang offengelegt werden.
Evergreen 2 - der Anhang
Der Anhang dient als Ergänzung zu Bilanz, Erfolgsrechnung und, wo notwendig, zur Geldflussrechnung. Der Gesetzgeber hat Mindestangaben festgehalten, die abgebildet werden müssen. Dies gilt allerdings nur für Fälle, wo diese Sachverhalte auch entsprechend vorliegen. Von «Negativbestätigungen», bei denen Sachverhalte aufgelistet und deren Vorliegen anschliessend verneint wird, sollte abgesehen werden.
Hinsichtlich der Angabe von Rechnungslegungsgrundsätzen gilt es zudem zu beachten, dass diese nur soweit angegeben werden müssen, wie «diese [Rechnungslegungsgrundsätze] nicht vom Gesetz vorgeschrieben sind». Unserer Meinung nach müssen entsprechende Offenlegungen vor allem dann erfolgen, wenn bedeutende Ermessensentscheide für nicht geregelte Aspekte getroffen werden müssen oder wenn Wahlrechte wahrgenommen werden. Zum Beispiel, wenn die POC-Methode zur Bewertung von angefangenen Arbeiten, die Bewertungen von Aktiven zu beobachtbaren Marktpreisen oder die Bilanzierung von Leasinggeschäften zur Anwendung kommen.
Evergreen 3 - ausserordentlicher, einmaliger oder periodenfremder Aufwand und Ertrag
Eine Abgrenzung innerhalb der Position «ausserordentlich, einmalig oder periodenfremd» ist schwierig vorzunehmen. Positionen, die ausserordentlich sind, fallen fast immer auch in die Kategorie «einmalig» und nicht selten sind sie auch noch periodenfremd. Entsprechend ist eine Zuweisung eines Sachverhalts zu einer einzelnen Unterposition weder eindeutig möglich noch zielführend. Es drängt sich daher auf, ausserordentliche, einmalige und periodenfremde Aufwände/Erträge als eine einzige Position auszuweisen. Von einer Verrechnung von Aufwendungen und Erträgen sollte hingegen abgesehen werden, solange es sich nicht um unwesentliche Posten handelt.
Die Mindestgliederungsvorschriften stützen diesen Ansatz ebenfalls, da gesetzlich keine Unterteilung dieser Gesamtposition verlangt wird.
Welche Vorgänge konkret unter dieser Position ausgewiesen werden können, ist in hohem Masse vom Ermessen des Bilanzerstellers abhängig. Wann soll eine Position als «ausserordentlich, einmalig oder periodenfremd» ausgewiesen werden?
- Es besteht kein Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsgang.
- Es handelt sich um wiederkehrende und nicht voraussehbare Vorgänge.
- Der Sachverhalt bezieht sich nicht auf die ordentliche Geschäftstätigkeit.
- Es handelt sich um Korrekturen von wesentlichen Fehlern aus den Vorjahren.
Nicht unter diesen Sachverhalt fallen die normalen, wiederkehrenden Abweichungen bei sachlichen und zeitlichen Abgrenzungen (auch als aktive und passive Rechnungsabgrenzungen bezeichnet) sowie Rückstellungen. Diese Posten stellen Schätzungen dar und können nie völlig exakt sein. Eine Delkredererückstellung kann beispielsweise 35'000 Franken betragen. Im Folgejahr wird klar, dass der effektive Verlust aus dem Vorjahr 42'317 Franken beträgt. Im neuen Jahr steht somit fest, dass die Rückstellung um 7'317 Franken zu tief war. Diese Summe ist zwar an sich periodenfremd, aber nicht als solche auszuweisen, denn bei allen zeitlichen und sachlichen Abgrenzungen und bei Rückstellungen gibt es diese Ungenauigkeiten.
Geschäftsvorfälle sind zudem konsistent zu beurteilen. Entsprechend sollten Aufwendungen und Erträge gleichbehandelt werden. So ist der Versuchung zu widerstehen, Aufwände als ausserordentlich, Erträge aus gleichen Sachverhalten aber als ordentlich darzustellen.
Weiter zu beachten gilt, dass wesentliche ausserordentliche, einmalige oder periodenfremde Positionen im Anhang erläutert werden müssen. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind wir der Ansicht, dass diese Kategorie nur dann verwendet werden sollte, wenn die Voraussetzungen dazu klar eingehalten sind.
Evergreen 4 - stille Reserven
Die Bildung von stillen Reserven ist nach den Vorgaben des Handelsrechts praktisch unlimitiert möglich. Schranken werden den Unternehmen durch das Steuerrecht auferlegt. Um eine Abweichung der Steuer- von der Handelsbilanz zu vermeiden, werden die steuerlichen Anforderungen in der Regel auch in der Handelsbilanz beachtet. Die Jahresrechnung kann als Handels- und Steuerbilanz verwendet werden.
Die Bildung von stillen Reserven hat allerdings in jedem Fall handelsrechtskonform zu erfolgen. Nach den Vorgaben des Obligationenrechts besteht grundsätzlich eine Aktivierungspflicht für alle Vermögenswerte einer Gesellschaft. Dies führt dazu, dass beispielsweise das komplette Weglassen von Vermögenswerten grundsätzlich gegen das Gesetz verstösst - im Minimum ist also ein Pro-Memoria-Franken in die Bilanz aufzunehmen. Ein Lastwagen mit einem Kaufpreis von 320'000 Franken muss aktiviert werden, darf aber aus handelsrechtlicher Sicht direkt nach dem Kauf auf einen Franken abgeschrieben werden.
Werden stille Reserven in einem Geschäftsjahr aufgelöst und handelt es sich dabei um eine wesentliche Netto-Auflösung, so ist dies im Anhang zur Jahresrechnung offenzulegen. Ob eine Auflösung wesentlich ist, hängt dabei von der Höhe des Betrages und der qualitativen und quantitativen Bedeutung in Bezug auf das Bilanzbild ab. Wird beispielsweise ein effektiver Jahresverlust durch die Auflösung von stillen Reserven in einen Gewinn gewandelt, ist von der Wesentlichkeit auszugehen. Damit muss die Netto-Auflösung im Anhang offengelegt werden.
Genauso ist vorzugehen, wenn durch die Auflösung von stillen Reserven gesetzliche Konsequenzen wie ein Kapitalverlust (Art. 725 Abs. 1 OR) oder eine Überschuldung (Art. 725 Abs. 2 OR) abgewendet werden. Die Auflösung von stillen Reserven wird in der Regel brutto, das heisst ohne die Berücksichtigung allfälliger latenter Steuereffekte, gezeigt.
Auch Folgendes sollten Sie im Hinterkopf behalten: Die als Mittel zur Steueroptimierung beliebte Arbeitgeberbeitragsreserve (AGBR) gehört zu den stillen Reserven. Entsprechend müssen bei der Beurteilung, ob im Geschäftsjahr stille Reserven gebildet oder aufgelöst wurden, auch die Veränderung der Arbeitgeberbeitragsreserve berücksichtigt werden.
Evergreen 5 - Leasing
Das Gesetz verlangt vom Anwender die Offenlegung des «Restbetrags der Verbindlichkeiten aus kaufvertragsähnlichen Leasinggeschäften und anderer Leasingverbindlichkeiten, sofern diese nicht innert zwölf Monaten ab Bilanzstichtag auslaufen oder gekündigt werden können». Mit dieser Regelung verpflichtet der Gesetzgeber den Bilanzersteller zur Offenlegung von ausserbilanziellen langfristigen Verbindlichkeiten (sog. «Off-Balance-Sheet-Verpflichtungen») aus Leasinggeschäften.
Die auszuweisende Verbindlichkeit umfasst dabei alle noch ausstehenden Leasingraten (nicht bloss deren Barwert) inklusive darauf anfallender (Mehrwert-)steuern. Eine Ausnahme bilden Verträge, die vom Bilanzstichtag aus noch während eines Jahres auslaufen oder jederzeit gekündigt werden können. Aus Wesentlichkeitsgründen können auch Leasingverträge für wirtschaftlich geringwertige Güter (etwa das Leasing einer Kopiermaschine) weggelassen werden. Nicht vom Gesetz vorgesehen, aber wärmstens zu empfehlen, ist der Ausweis der Verpflichtungen aus langfristigen Mietverträgen oder Baurechtsverträgen.
Werden Leasinggüter und -verbindlichkeiten aus Finanzleasing bilanziert - d.h. als Sachanlage (z.B. als «Fahrzeuge im Leasing») mit korrespondierender Verbindlichkeit («Verbindlichkeit aus Leasing») in die Bilanz aufgenommen - dann entfällt die Notwendigkeit des Ausweises dieses Leasinggutes im Anhang, da keine Ausserbilanzverpflichtung mehr besteht. Wird dieser Bewertungsgrundsatz gewählt, sollte allerdings bei den angewandten Rechnungslegungsgrundsätzen eine entsprechende Offenlegung erfolgen.
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