Rechnungslegung nach OR: Die 5 häufigsten Fragen zur Jahresrechnung

Rechnungslegung nach OR: Die 5 häufigsten Fragen zur Jahresrechnung

Wer mit der Rechnungslegung nach OR arbeitet, begegnet früher oder später bestimmten Unsicherheiten rund um den Jahresabschluss. Unabhängig von Branche oder Unternehmensgrösse tauchen immer wieder Fragen auf. In diesem Fachartikel erfahren Sie, was Sie in Bezug auf Umfang, Anhang und Co. Ihrer Jahresrechnung beachten sollten.

Wie detailliert sollte die Jahresrechnung sein?

Eine gut strukturierte Jahresrechnung vermittelt ein klares und zuverlässiges Bild der finanziellen Lage Ihres Unternehmens – ohne überladen oder zu knapp zu sein. Ein Zuviel an Details kann schnell dazu führen, dass der Überblick verloren geht. Umgekehrt sollten auch nicht zu viele Informationen weggelassen werden.

Arbeiten Sie mit dem Grundsatz der Wesentlichkeit. Kleine Beträge – wie etwa Bankspesen von CHF 12.50 – dürfen sinnvoll zusammengefasst und unter übergeordneten Kategorien wie «Finanzaufwand» eingeordnet werden, anstatt separat aufgeführt zu werden. So stellen Sie sicher, dass Ihre Jahresrechnung ein aussagekräftiges und gleichzeitig gut verständliches Bild Ihrer Vermögens- und Finanzlage vermittelt. Manchmal ist weniger mehr.

Sinnvolle zusätzliche Informationen, die für das Verständnis einzelner Positionen notwendig sind, können Sie im Anhang aufführen.

Was gehört in den Anhang meiner Jahresrechnung?

Der Anhang Ihrer Jahresrechnung ergänzt Bilanz, Erfolgsrechnung und – sofern erforderlich – die Geldflussrechnung. Er enthält die gesetzlich geforderten Mindestangaben. Diese müssen Sie jedoch nur dann aufführen, wenn der betreffende Sachverhalt tatsächlich vorliegt. Auf sogenannte «Negativbestätigungen», bei denen Sachverhalte aufgelistet und deren Vorliegen anschliessend verneint wird, sollten Sie verzichten.

Rechnungslegungsgrundsätze müssen Sie nur dann im Anhang erwähnen, wenn sie nicht bereits gesetzlich vorgeschrieben sind. Eine Offenlegung empfehlen unsere Expertinnen und Experten vor allem, bedeutende Ermessensentscheide für nicht geregelte Aspekte getroffen werden müssen oder wenn Wahlrechte wahrgenommen werden. Etwa bei der Bewertung von angefangenen Arbeiten nach der POC-Methode oder der Bilanzierung von Leasinggeschäften.

Wie gehe ich mit ausserordentlichen, einmaligen, oder periodenfremden Positionen um?

In der Praxis sind die Begriffe «ausserordentlich, einmalig oder periodenfremd» kaum eindeutig voneinander abzugrenzen. Ausserordentliche Vorgänge fallen fast immer gleichzeitig in die Kategorie «einmalig» und sind nicht selten auch «periodenfremd». Entsprechend ist eine Zuweisung eines Sachverhalts zu einer einzelnen Unterposition weder eindeutig möglich noch zielführend.

Daher ist es ratsam, entsprechende Aufwände und Erträge in einer gemeinsamen Position auszuweisen. Von einer Verrechnung von Aufwendungen und Erträgen sollten Sie jedoch absehen, solange es sich nicht um unwesentliche Posten handelt.

Die gesetzlichen Vorschriften zur Mindestgliederung der Erfolgsrechnung unterstützen dieses Vorgehen, da keine Aufsplittung dieser Gesamtposition verlangt wird. Welche Vorgänge Ihrer Jahresrechnung konkret unter dieser Position ausgewiesen werden können, hängt stark vom Ermessen der Bilanzersteller ab.

Prüfen Sie folgende Kriterien, um eine Position als «ausserordentlich, einmalig oder periodenfremd» auszuweisen:

  • Es besteht kein Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsgang.
  • Es handelt sich um nicht wiederkehrende und nicht voraussehbare Vorgänge.
  • Der Sachverhalt bezieht sich nicht auf die ordentliche Geschäftstätigkeit.
  • Es handelt sich um Korrekturen von wesentlichen Fehlern aus den Vorjahren.

Regelmässige, wiederkehrende Abweichungen bei zeitlichen und sachlichen Abgrenzungen (auch als aktive und passive Rechnungsabgrenzungen bezeichnet) oder Rückstellungen fallen nicht unter diese Kategorie. Solche Posten stellen Schätzungen dar und können nie völlig exakt sein.

Ein Beispiel: Eine Delkredererückstellung beträgt CHF 35'000.-. Im Folgejahr wird klar, dass der effektive Verlust aus dem Vorjahr CHF 42'317.- beträgt. Im neuen Jahr steht somit fest, dass die Rückstellung um CHF 7'317.- zu tief war. Diese Summe ist zwar an sich «periodenfremd», aber nicht als solche auszuweisen, denn bei allen zeitlichen und sachlichen Abgrenzungen und bei Rückstellungen gibt es solche Ungenauigkeiten.

Wichtig ist, dass Sie Geschäftsvorfälle in Ihrer Jahresrechnung konsistent beurteilen: Aufwand und Ertrag sollten gleichbehandelt werden. Es ist nicht zulässig, Aufwände als «ausserordentlich», Erträge aus gleichen Sachverhalten aber als ordentlich darzustellen.

Beachten Sie, dass Sie wesentliche «ausserordentliche, einmalige oder periodenfremde» Positionen im Anhang erläutern. Unsere Empfehlung: Diese Kategorie sollten Sie nur dann verwenden, wenn die Voraussetzungen klar erfüllt sind.

Wie sollte ich stille Reserven behandeln?

Die Behandlung stiller Reserven verlangt Augenmass und Fachkenntnis. Prüfen Sie sorgfältig, ob und in welchem Umfang Offenlegungspflichten bestehen – unsere Expertinnen und Experten unterstützen Sie gerne.

Bildung stiller Reserven

Die Bildung stiller Reserven ist nach den Vorgaben des Handelsrechts (OR) praktisch unlimitiert möglich. Das Steuerrecht setzt gewisse Grenzen:

Um eine Abweichung der Steuer- von der Handelsbilanz zu vermeiden, werden die steuerlichen Anforderungen in der Regel auch in der Handelsbilanz beachtet. Sie können Ihre Jahresrechnung als Handels- und Steuerbilanz verwenden.

Beachten Sie: Die Bildung von stillen Reserven hat allerdings in jedem Fall handelsrechtskonform zu erfolgen. Nach den Vorgaben des Obligationenrechts (OR) dürfen Sie beispielsweise ein Fahrzeug nicht vollständig aus der Bilanz weglassen, auch wenn Sie es nur symbolisch mit einem Franken aufführen. Ein Lastwagen mit einem Kaufpreis von CHF 320'000.- muss aktiviert werden, darf aber aus handelsrechtlicher Sicht direkt nach dem Kauf auf einen Franken abgeschrieben werden.

Auflösung stiller Reserven

Werden stille Reserven in einem Geschäftsjahr aufgelöst und handelt es sich dabei um eine wesentliche Nettoauflösung, so müssen Sie diese im Anhang Ihrer Jahresrechnung offenlegen. Die Auflösung ist insbesondere dann offenlegungspflichtig, wenn durch diese Massnahme eine gesetzlich relevante Auswirkung verhindert wird – zum Beispiel die Feststellung eines Kapitalverlusts oder einer Überschuldung. In solchen Fällen müssen Sie im Anhang zur Jahresrechnung transparent machen, in welchem Umfang stille Reserven aufgelöst wurden.

Ob eine Auflösung wesentlich ist, hängt von der Höhe des Betrages sowie von der qualitativen und quantitativen Bedeutung für das Bilanzbild ab. Wird zum Beispiel ein effektiver Jahresverlust durch die Auflösung stiller Reserven in einen Gewinn verwandelt, ist von einer Wesentlichkeit auszugehen. Damit müssen Sie die Nettoauflösung im Anhang offenlegen

Genauso sollten Sie vorgehen, wenn durch die Auflösung stiller Reserven gesetzliche Konsequenzen wie ein Kapitalverlust (Art. 725 Abs. 1 OR) oder eine Überschuldung (Art. 725 Abs. 2 OR) abgewendet werden. Die Auflösung wird in der Regel brutto, also ohne Berücksichtigung latenter Steuereffekte, dargestellt.

Eine Besonderheit betrifft die Arbeitgeberbeitragsreserve (AGBR): Auch diese stellt eine stille Reserve dar. Wird sie im laufenden Geschäftsjahr ganz oder teilweise aufgelöst, muss dies in der Jahresrechnung korrekt dargestellt und gegebenenfalls offengelegt werden.

Was muss ich beim Thema Leasing in der Jahresrechnung beachten?

Das Gesetz verpflichtet Sie zur Offenlegung des «Restbetrags der Verbindlichkeiten aus kaufvertragsähnlichen Leasinggeschäften und anderer Leasingverbindlichkeiten, sofern diese nicht innert zwölf Monaten ab Bilanzstichtag auslaufen oder gekündigt werden können». Damit sollen sogenannte «Off-Balance-Sheet-Verpflichtungen» aus langfristigen Leasingverhältnissen transparent gemacht werden.

Die anzugebende Verbindlichkeit umfasst sämtliche noch offenen Leasingraten – und zwar in voller Höhe, nicht nur den Barwert – inklusive allfälliger (Mehrwert-)Steuern.

Nicht offenzulegen sind Leasingverträge, die:

  • innerhalb eines Jahres ab Bilanzstichtag enden oder
  • jederzeit kündbar sind

Aus Gründen der Wesentlichkeit dürfen Sie zudem wirtschaftlich geringfügige Güter, etwa das Leasing einer Kopiermaschine, unberücksichtigt lassen. Auch wenn es gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, empfehlen wir, langfristige Miet- oder Baurechtsverträge ebenfalls im Anhang offenzulegen.

Falls Sie Leasinggüter und -verbindlichkeiten direkt bilanzieren, also als Sachanlage (z.B. als «Fahrzeuge im Leasing») und die zugehörige Zahlungsverpflichtung als «Verbindlichkeit aus Leasing» erfassen, besteht keine Offenlegungspflicht mehr im Anhang – da keine Ausserbilanzverpflichtung mehr besteht. Wenn Sie sich für diese Bewertungsmethode entscheiden, sollte allerdings bei den angewandten Rechnungslegungsgrundsätzen eine entsprechende Offenlegung erfolgen.

Wir unterstützen Sie bei Ihrer Jahresrechnung

Die Jahresrechnung nach Schweizer Obligationenrecht bringt zahlreiche Offenlegungspflichten mit sich – von stillen Reserven über Leasingverträge bis hin zur Wesentlichkeit einzelner Positionen. Eine saubere und gesetzeskonforme Darstellung ist dabei zentral.

Sie haben weitere Fragen zur Jahresrechnung oder wünschen eine individuelle Beratung? 
Unsere Expertinnen und Experten unterstützen Sie gerne.