FINMA-Rundschreiben 2025/2 «Verhaltenspflichten nach FIDLEG/FIDLEV»

Am 22. November 2024 hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) das Rundschreiben zu den Verhaltenspflichten von Finanzdienstleistern nach dem Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und Finanzdienstleistungsverordnung (FIDLEV) veröffentlicht. Einige der darin enthaltenen Anforderungen müssen bereits ab dem 1. Januar 2025 umgesetzt werden, für andere besteht eine Übergangsfrist von 6 Monaten bis zum 30. Juni 2025. So oder so besteht nun dringender Handlungsbedarf für Banken, Vermögensverwalter, Verwalter von Kollektivvermögen, Fondleitungen und Wertpapierhäuser. Dieser Artikel gibt im Nachfolgenden einen Überblick über die verschiedenen Verhaltenspflichten, die nun zeitnah umgesetzt werden müssen.

Informationen über die Art der Finanzdienstleistung (Art. 8 Abs. 2 Bst. a und 9 FIDLEG, Art. 7 Abs. 1 Bst. a und 12 FIDLEV)

Das FIDLEG unterscheidet zwei Formen der Anlageberatung: «Anlageberatung unter Berücksichtigung des Kundenportfolios« und «Anlageberatung für einzelne Transaktionen». Bei der portfoliobezogenen Beratung gelten strengere Verhaltenspflichten als bei der transaktionsbezogenen Beratung. 
  • Bei der portfoliobezogenen Beratung müssen Finanzdienstleister eine Eignungsprüfung vornehmen. Sie müssen anhand der konkreten Anlagerisiken, der finanziellen Situation und den Anlagezielen prüfen, ob das Finanzinstrument für die Kundin oder den Kunden geeignet ist, bevor sie es ihnen empfehlen.
  • Bei der transaktionsbezogenen Beratung wird lediglich eine Angemessenheitsprüfung verlangt. Die Finanzdienstleister müssen sicherstellen, dass die Kundinnen und Kunden das empfohlene Finanzinstrument aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen verstehen. 
Zukünftig müssen die Finanzdienstleister deklarieren, ob es sich bei ihrer Anlageberatung um eine transaktions- oder portfoliobezogene Beratung handelt. Dieser Hinweis muss in geeigneter Weise dokumentiert werden, beispielsweise durch eine schriftliche Erklärung zum Zeitpunkt der Beratung.
 

Informationen über die mit Finanzinstrumenten verbunden Risiken (Art. 8 Abs. 1 Bst. d FIDLEG, Art. 7 Abs. 3 Bst. b FIDLEV)

Das FIDLEG enthält zwar keine expliziten Vorgaben, wonach Anbieter von Differenzgeschäften (CFD) einen Initial-Margin-, Margin-Glattstellungs- und Negativsaldoschutz gewährleisten müssen. Jedoch sind die Anbieter zu einer umfassenden Risikoaufklärung verpflichtet. Privatkundinnen und -kunden müssen über allfällige Nachschusspflichten sowie das Verlustrisiko informiert werden. Darüber hinaus müssen sie auch über weitere typische Risiken von CFDs aufgeklärt werden, dazu gehören beispielsweise Kursveränderungen zwischen Erteilung und Ausführung des Auftrags (Slippage). 

Es wird erwartet, dass Finanzdienstleister quartalsweise über den prozentualen Anteil der Privatkundinnen und -kunden informieren, die in den letzten 12 Monaten:
  • Geld verloren haben;
  • bei Schliessung ihrer Positionen einen Totalverlust ihrer Margen erlitten haben; und
  • nach Schliessung ihrer Position ein Negativsaldo nachzahlen mussten.
Für die Umsetzung der quartalsweisen Deklaration besteht eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2025.
 

Informationen über die mit der Finanzdienstleistung verbundenen Risiken (Art. 8 Abs. 2 Bst. a FIDLEG, Art. 7 Abs. 2 FIDLEV)

Finanzdienstleister sind dazu verpflichtet, über die mit der angebotenen Finanzdienstleistung verbundenen Risiken zu informieren. Zu diesen Risiken gehören auch übermässige Klumpenrisiken. Klumpenrisiken können sich aus der Zusammensetzung des Portfolios ergeben, wenn z.B. ein einziges oder wenige Finanzinstrumente einen wesentlichen Anteil des Portfolios ausmachen. Hinweise für marktunübliche Risikokonzentrationen sind etwa eine Konzentration von 10% oder mehr in Einzeltiteln oder eine Konzentration von 20% oder mehr bei einzelnen Emittenten. Ausgenommen sind Konzentrationen aufgrund von kollektiven Kapitalanlagen, die regulatorischen Risikoverteilungsvorschriften unterstehen. 

Für die Umsetzung der Deklaration von Informationen über die mit der Finanzdienstleistung verbundenen Risiken besteht eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2025.
 

Angemessenheits- und Eignungsprüfung (Art. 11–12 FIDLEG, Art. 16–17 FIDLEV)

Die Angemessenheits- und Eignungsprüfung beinhaltet neben der Erkundigungspflicht auch eine Prüfpflicht. Zur Erstellung des Risikoprofils müssen sich die Finanzdienstleister nach sämtlichen für eine sachgerechte Durchführung der Angemessenheits- und Eignungsprüfung benötigten Informationen erkundigen. Zu diesen Informationen gehören insbesondere die Kenntnisse und Erfahrungen der Kundinnen und Kunden für jede relevante Anlagekategorie. 

Bei der Vermögensverwaltung und portfoliobezogenen Anlageberatung sind die Kenntnisse und Erfahrungen nicht im Hinblick auf die einzelnen Transaktionen, sondern bezogen auf die Finanzdienstleistung mit Berücksichtigung der Eigenschaften der Anlagestrategie und eingesetzten Produktetypen abzuklären. Eine generelle Erkundigung, ob die Kundinnen und Kunden Erfahrungen im Finanzsektor haben, ist nicht ausreichend. Darüber hinaus müssen nominale Werte zu Einkommen, Vermögen und finanziellen Verpflichtungen abgefragt werden. Eine Erhebung des Nettovermögens ist nur ausreichend, wenn der Finanzdienstleister nachweisen kann, dass die Kundin oder der Kunde in der Lage sind, die Verlusttragungsfähigkeit selbst zu berechnen. Die Finanzdienstleister dürfen sich grundsätzlich auf die Angaben der Kundinnen und Kunden verlassen, sie müssen jedoch darauf achten, dass die Angaben nicht erkennbar falsch oder widersprüchlich sind.
 

Verwendung von Finanzinstrumenten von Kundinnen und Kunden / Securities Lending (Art. 19 FIDLEG)

Wertschriftendarlehen führen für Kundinnen und Kunden zu erhöhten Risiken. Deshalb ist es erforderlich, dass diese der Verwendung ihrer Finanzinstrumente ausdrücklich zustimmen. Die Risikoaufklärungen sind zu dokumentieren und müssen mindestens die folgenden Informationen enthalten: 
  • ob der Finanzdienstleister als Gegenpartei (Principal) auftritt oder lediglich als Agent das Geschäft mit einem Dritten vermittelt; 
  • dass das Eigentum an den Finanzinstrumenten an die Gegenpartei übergeht und nur ein Anspruch auf Wiederbeschaffung gleicher Art und Menge besteht; 
  • dass im Konkursfall der Gegenpartei oder allenfalls eines Garanten nur ein Anspruch auf eine nicht privilegierte Geldforderung von entsprechendem Wert besteht (beim Securities Lending mit Privatkundinnen und -kunden besteht eine zusätzliche Deckung im Umfang der erhaltenen Sicherheiten); 
  • dass die Vermögens- und Mitwirkungsrechte an die Gegenpartei übergehen; 
  • dass das Risiko für eine Wertverminderung der Finanzinstrumente bei den Kundinnen und Kunden verbleibt;
  • dass die Kundinnen und Kunden die Vereinbarung über die Verwendung von Finanzinstrumenten mit sofortiger Wirkung kündigen können oder, soweit im Einzelfall eine feste Dauer ausdrücklich vereinbart wurde, dass die Verwendung nur mit dem Ablauf der Vereinbarung über die Verwendung von Finanzinstrumenten endet; und
  • dass die Kundinnen und Kunden die Möglichkeit haben, bestimmte Finanzinstrumente vom Securities Lending auszunehmen.
 

Interessenkonflikte (Art. 8 Abs. 2 Bst. b und c i.V.m. Art. 25 FIDLEG, Art. 9–10 und 24–28 FIDLEV)

Finanzdienstleister sind dazu verpflichtet, im besten Interesse ihrer Kundinnen und Kunden zu handeln. Interessenkonflikte müssen grundsätzlich durch organisatorische Vorkehrungen vermieden werden. Darüber hinaus müssen Finanzdienstleister offenlegen, ob das bei der Auswahl von Finanzinstrumenten berücksichtige Marktangebot nur eigene, eigene und fremde, oder nur fremde Finanzinstrumente umfasst. 

Werden eigene und fremde Finanzinstrumente berücksichtigt, müssen angemessene Massnahmen zur Vermeidung von damit verbundenen Interessenkonflikten getroffen werden, wie namentlich einen Prozess zur Selektion von Finanzinstrumenten anhand branchenüblicher, objektivierter Kriterien. Eigene Finanzinstrumente dürfen nicht durch spezifische Anreize bei der Vergütung begünstigt werden. Liegt ein unvermeidbarerer Interessenkonflikt vor, muss dies den Kundinnen und Kunden mitgeteilt werden. 
 

Entschädigung durch Dritte (Art. 26 FIDLEG, Art. 29 FIDLEV)

Viele Finanzdienstleister nehmen Entschädigungen durch Dritte (Retrozessionen) ein. Der Vorausverzicht der Kundinnen und Kunden ist häufig als pro-forma-Verzicht ausgestaltet und im Kleingedruckten versteckt. Die Information über die Entschädigungen in Formularverträgen ist zukünftig optisch hervorzuheben und muss physisch oder elektronisch erbracht werden. 

Ist die effektive Höhe des Betrages einer Entschädigung vor Erbringung der Finanzdienstleistung nicht feststellbar, muss der Finanzdienstleiser über die Bandbreiten der Entschädigungen hinsichtlich der verschiedenen Klassen informieren. Im Rahmen der Vermögensverwaltung und der portfoliobezogenen Anlageberatung muss zusätzlich über die Bandbreiten der Entschädigung anhand des Portfoliowertes und der vereinbarten Anlagestrategie informiert werden. Die Finanzdienstleister sind dazu verpflichtet, den Kundinnen und Kunden die effektiv erhaltenen Beträge auf Anfrage kostenlos offenzulegen. 

Für die Entwicklung von angemessenen Massnahmen und der Deklaration von unvermeidbaren Interessenkonflikten besteht eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2025.
 

Umsetzung der Verhaltenspflichten nicht unterschätzen

Die FINMA greift mit dem Rundschreiben 2025/2 «Verhaltenspflichten nach FIDLEG/FIDLEV» wichtige Präzisierungen in der Umsetzung der Verhaltens- und Informationspflichten auf. Grundsätzlich gelten die beschriebenen Verhaltenspflichten ab dem 1. Januar 2025. Auf Pflichten, bei denen die Übergangsfrist von 6 Monaten gilt, wurde im Text explizit hingewiesen. Die umfassenden Präzisierungen in Verbindung mit der kurzen Umsetzungsfrist können Finanzintermediäre in den folgenden Monaten vor grosse Herausforderungen stellen.  

Für weitergehende Informationen und Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Anforderungen sind wir gerne für Sie da.
 

Mehr erfahren zu Financial Service?