Sowohl regulatorisch wie auch bezüglich Kundenerwartungen bewegt sich ESG (Environmental, Social & Governance) im Eiltempo von der Freiwilligkeit weg, hin zu einem einzuhaltenden respektive eingeforderten Standard. Dies reflektiert sich im ESG-Angebot und bei den Markteilnehmern: Zwischen völliger Abwesenheit von ESG und vollumgesetzten ESG-Strategien finden sich sämtliche Abstufungen.
ESG ist gekommen, um zu bleiben. Die diesbezüglichen Signale seitens Gesetzgeber und Regulatoren, sei es in der Schweiz oder auf europäischer Ebene, sind unmissverständlich.
Eine signifikante Anzahl von Finanzinstituten beschäftigen sich in Bezug auf die von ihnen angebotenen Dienstleistungen denn auch bereits mit ESG-Fragen. Grosse (Finanz-)Institute werden dazu verpflichtet, sich auch als Unternehmen selbst, das heisst «intern», mit Klimarisiken zu befassen und Offenlegungspflichten zu erfüllen. Schliesslich sind Schweizer Institute von der europäischen Offenlegungsverordnung SFDR teilweise direkt betroffen.
Grundsätzliche Widerstände seitens Kunden gegen ESG-Produkte sind nicht erkennbar, im Gegenteil. Die Nachfrage wächst kontinuierlich — auch aufgrund der Ausweitung des Angebots.
ESG vs. nicht-ESG vs. Greenwashing
Die Abgrenzung zwischen ESG-konformen Unternehmen und Produkten und solchen, die es nicht oder nur teilweise sind, ist nach wie vor herausfordernd.
Dies ist teilweise den noch nicht vorhandenen oder uneinheitlichen Vorgaben und einer fehlenden respektive nicht verlässlichen Datenbasis geschuldet. Faktoren innerhalb des «E», des «S» und «G» können und werden sodann unterschiedlich gewichtet. Zu beobachten ist insbesondere eine starke Gewichtung des Faktors «Environmental». Weiter können bei der Ausgestaltung von Produkten verschiedene Ansätze mit verschiedenen Parametern gewählt werden (z.B. Ausschlusskriterien vs. Best in Class-Ansatz). Die Aufzählung lässt sich fortsetzten. Zumindest auf europäischer Ebene ist die Ausarbeitung eines einheitlichen Klassifizierungssystems bereits fortgeschritten.
Von den gegenwärtigen Abgrenzungsschwierigkeiten gesondert zu beurteilen ist die (bewusste) unvollständige, irreführende oder inkorrekte Darstellung von ESG-Faktoren mit dem Ziel, sich als besonders umweltbewusst und umweltfreundlich darzustellen: das sogenannte Greenwashing. Ein solches Verhalten stärkt das Vertrauen von Anlegern in ESG-Produkte sicher nicht. Zu beobachten ist aber, dass die Aufsicht in der Schweiz und im Ausland tätig ist. Vom Bundesrat ist bereits der Auftrag erteilt worden, Vorschläge für Anpassungen im Finanzmarktrecht zu erarbeiten, welche Greenwashing einen Riegel vorschieben sollen. Die entsprechende Kommunikation wird zeitnah erwartet.
Der Spielraum wird somit kleiner. Nachhaltig ist Greenwashing auf jeden Fall (und im doppelten Sinne) nicht.
Einstieg jederzeit möglich
Das gegenwärtige Umfeld hält weder Finanzdienstleister noch Inverstoren davon ab, sich mit der Thematik ESG zu befassen und sollte einem Einstieg oder Ausbau der ESG-Bemühungen nicht entgegenstehen.
Folgende Überlegungen können hierbei eine Rolle spielen:
- Aus Sicht der übergeordneten Nachhaltigkeitsziele ist ein Tätigwerden in jedem Fall zu begrüssen. 80% oder 90% ESG sind besser als kein ESG.
- Eine gewisse Vorsicht beim Umgang mit ESG ist sicher angebracht, wir bewegen uns aber nicht mehr auf komplett unbekanntem Terrain.
- Die unternehmensinterne Umsetzung von ESG, der Aufbau von Kompetenz, die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache und einer transparenten, nachvollziehbaren Kommunikation, die Definition von KPIs etc. geschehen nicht von heute auf morgen. Anderseits rückt der Zeitpunkt rasch näher, ab welchem Aussagen geschärft werden müssen. Hier gilt es, vorbereitet zu sein.
- ESG-interessierte Anleger oder jene, die zu solchen Investments verpflichtet sind, fragen die entsprechenden Angebote nach. Dem gilt es, ein adäquates Angebot entgegenzustellen.
Bei ESG handelt es sich schon längst nicht mehr um eine Randerscheinung, die Regulierung schreitet rasch voran und es kann nicht mehr ernsthaft bezweifelt werden, dass ESG die Branche nachhaltig beeinflusst und weiter beeinflussen wird. Finanzdienstleister, die es noch nicht getan haben, sind gut darin beraten, sich aktiv mit der Thematik auseinanderzusetzen und ihre Optionen zu prüfen. Grundsätzlich ist ein Einstieg in die ESG-Welt jederzeit möglich, zu früh ist es sicher nicht.
Hinweis: Dieser Beitrag wurde in Ausgabe 3/2021 des Private-Magazins publiziert.