Ein Plädoyer für das strategische Management in NPO

Wer kennt Sie nicht, die kritischen Stimmen gegenüber strategischen Führungsaufgaben. Die einen beanstanden eine fehlende Planungssicherheit («Was soll ich planen, morgen sieht die Welt sowieso anders aus»), andere wollen lieber «machen», anstatt irgendwelche unnötigen Papiertiger zu produzieren, die dann in der Schublade verschwinden.

 

Die Beratungspraxis und eigene Erfahrung als Mitglied in strategischen Leitorganen zeigen: Viele NPOs tun sich schwer mit der Strategie und strategischen Fragestellungen. Doch warum ist das so und weshalb lohnt es sich trotzdem, sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen?

 

Strategie, das unbeliebte Sorgenkind in NPOs

Anders als in profitorientierten Unternehmen gibt es in NPOs selten direkten Marktdruck, der dazu zwingen würde, die Ausrichtung zu überdenken oder nach immer neuen Lösungen Ausschau zu halten, um eine Rendite abzuwerfen damit der Fortbestand langfristig gesichert werden kann.

Non-Profit-Organisationen zeichnen sich in der Regel durch eine starke Sachzieldominanz, einen hohen Wertekodex sowie eine starke Interessenheterogenität aufgrund der vielen Anspruchsgruppen aus. Dies bei gleichzeitig komplexer, mehrteiliger und dennoch partizipativer Führungsstruktur. Das oberste strategische Leitorgan ist vielfach durch Ehrenamtliche besetzt, die ihre Tätigkeit zwar mit viel Herzblut und Engagement, jedoch nicht selten mit wenig strategischer Fachkenntnis ausüben.

Der Erfolg einer NPO ist im Gegensatz zu einem renditeorientierten Unternehmen nicht primär am Finanzergebnis ablesbar. Es sind oft mehrere, manchmal sogar gegenläufige Faktoren, die sich aus dem statutarischen Zweck, der Tradition, den Werten der prägenden Köpfe und der impliziten Kultur ableiten. Mitglieder von NPOs werden oft aus einer inneren Überzeugung heraus tätig und zeichnen sich durch eine hohe Identifikation aus. Dies führt nicht selten dazu, dass wichtige Zukunftsentscheide, die aufgrund eines sich verändernden Umfeldes notwendig wären, spät oder gar nicht gefällt werden. Langfristig können die Folgen auch für NPOs durchaus fatal sein, weil sie damit ihre Legitimation und Existenz gefährden.  
Nebst den eingangs erwähnten Einwänden hört man zudem oft, es fehle an der Zeit, sich mit der Strategie auseinanderzusetzen, weil das Tagesgeschäft dringender sei. Das Wichtige wird somit vom vermeintlich Dringenden verdrängt.

Doch gerade darin liegt der eigentliche Trugschluss: Eine Strategie dient in ihrem Kern nämlich genau dazu, einen klaren Kompass und eine Sicht zu entwickeln, um Prioritäten im Tagesgeschäft zu setzen und sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Ziel ist es, mit den meistens beschränkten Ressourcen auch in Zukunft erfolgreich und zweckwirksam zu sein. Des Weiteren verkennen viele, dass die Zukunft nie linear verlaufen wird. Eine Organisation, die in den letzten 20 Jahren erfolgreich war, hat keine Garantie, dass sie auch in den nächsten 20 Jahren noch erfolgreich sein wird. Oder anders ausgedrückt: Haben Sie schon einmal im Auto versucht, mit dem Blick in den Rückspiegel zielgerichtet vorwärtszufahren und heil anzukommen?

Eine Strategie ist – entgegen der oft verbreiteten Meinung in Vorständen und Stiftungsräten – nicht ein bis in das letzte Detail ausgearbeiteter Plan, sondern vielmehr eine Absichtserklärung und Richtschnur für die Zukunft mit einem gewissen Toleranzlevel oder einer Bandbreite.

 

Begriffsverständnis - was ist eine Strategie

Strategisches Management ist ein Begriff, der sich nicht ganz trennscharf definieren lässt. In diesem Beitrag verstehen wir es als Prozess, mit dem sich eine Organisation an die Veränderungen und Bedürfnisse ihrer Umwelt und Bezugsgruppen anpasst.

Es geht darum, die eigenen Erfolgspotenziale zu erhalten und neue zu erschliessen. Die Organisation verfolgt das Ziel, «im Geschäft» zu bleiben und dafür zu sorgen, das Weiterbestehen zu sichern.

Dieses Begriffsverständnis impliziert folgende Merkmale einer Strategie:

  • Wesentliche und richtungsweisende Entscheide von grosser Tragweite
  • Vorausschauende, langfristige und erfolgsorientierte Optik
  • Übergeordnete, grundsätzliche und umfassende Perspektive
  • Allgemeine Richtung, Leitplanken und Handlungsrichtlinien für die künftige Entwicklung

 

Funktionen einer Strategie

Eine Strategie erfüllt in ihrem Kern folgende Funktionen:

  • Interessenabwägung und Fokussierung:
    Die Interessen in NPOs sind heterogen, die Anspruchsgruppen zahlreich. Eine Strategie dient der Klärung von Prioritäten in der Zweckerfüllung sowie der Zuteilung von knappen Ressourcen. Sie dient dazu, den oft langen Wunschzettel an Aktivitäten und Bedürfnissen auf ein realistisches Mass einzugrenzen und bewusst auf Bereiche zu verzichten.
     
  • Systematisch moderierter und professioneller Konfliktbeilegungsprozess:
    In NPOs sind viele Mitglieder aus innerer Überzeugung dabei. Sie sind in einem gewissen Masse Idealisten und setzen alles an die Erfüllung des Organisationszweckes. Nicht selten sind diese Zweckartikel aber vage formuliert oder beinhalten interpretationsbedürftige Leerformeln, was oft zu emotionalen Konflikten führt. Mit einem Strategieprozess werden diese Zweckartikel diskutiert, präzisiert und justiert. Auch wenn dieser Klärungsprozess manchmal von starken Spannungen begleitet wird, so sinkt längerfristig das Konfliktpotenzial und es werden Energien und Ressourcen frei für die nun geklärte Zweckerfüllung.
     
  • Aktivierung und Motivierung:
    Eine klare und abgestützte Strategie, ein klarer Fokus sowie eine Priorisierung aktivieren und motivieren die Mitglieder einer NPO, die Effektivität steigt.
     
  • Orientierung nach innen und aussen:
    Eine Strategie ist wie ein Kompass, der bei Weggabelungen seinen Dienst verrichtet. Er gibt Orientierungshilfen, um die richtige Abzweigung zu nehmen und sich nicht im Dickicht zu verirren. Sowohl die ehrenamtlichen Mitglieder als auch etwaige Geldgeber oder Förderer wollen wissen, für was und wen sich die NPO einsetzt. Eine klare Strategie ist eine Art Basisinformation für alle Anspruchsgruppen und schärft längerfristig das Profil.

 

Nutzen von strategischer Planung in NPOs

Strategien haben rein formal einen Rationalisierungseffekt, denn die übergeordneten Handlungsrichtlinien und Oberziele der Organisation schränken den Handlungsspielraum der nachgelagerten Stufen ein und richten deren Handeln an den definierten Fixpunkten aus. In heterogenen und föderalen NPOs wirkt eine übergeordnete Strategie identitätsstiftend und mildert zudem Spannungen.

Zu den inhaltlichen Effekten einer Strategie in NPOs gibt es bisher nur wenig empirische Befunde. In Studien aus den USA in den 80er-Jahren zeigte sich tendenziell ein positiver Zusammenhang zwischen strategischer Planung und Fundraising-Erfolg. Ebenso zeigte eine Befragung bei einem der weltweit grössten Verbände YMCA, dass ein höherer Formalisierungsgrad in der Strategie zu einem höheren finanziellen Erfolg und zu einer besseren organisationalen Zweckerfüllung führt. Zwischen Wachstum einer Organisation und strategischer Planung besteht zudem eine positive Korrelation. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch eine jüngere Schweizer Studie bei Sportvereinen.
In der Praxis haben je nach Sektor bis zu einem Drittel der NPOs nach wie vor keine Strategie. In einer Studie wies diese Gruppe (im Bildungssektor) den geringsten Leistungswert auf.

Zusammengefasst kann somit festgehalten werden, dass eine Strategie sich sowohl günstig auf die Effektivität (Zweckerfüllung) als auch auf die Effizienz (Ressourceneinsatz) auswirkt und somit die Zukunftsfähigkeit einer NPO erhöhen kann.

 

Der Standardprozess

Es gibt eine Vielzahl von Methoden und Möglichkeiten, einen Strategieprozess zu gestalten. Bewährt hat sich folgender Standardprozess (in Anlehnung an Lombriser, R., Aplanalp, P. (2005)):
 


 

Strategische Ausgangslage: Definition des aktuellen Selbstverständnisses. Für was stehen Sie als NPO, was ist Ihr Angebot, für wen und wo? Wo wollen Sie hin? 

Strategische Analyse:

  • Umweltanalyse: Was sind die relevanten Entwicklungen im Umfeld, was ereignet sich in der Branche, wie bewegen sich Ihre Konkurrenten? Was verändert sich bei Hauptauftrag- und Mittelgebern (z.B. öffentliche Hand)? Was bedeuten diese Entwicklungen für Ihre Organisation? Erkenntnisse können Sie mit einer PESTEL-Analyse oder einer Chancen- und Gefahrenliste generieren.
  • Organisationsanalyse: Was kann Ihre Organisation gut, wo hat sie Schwächen, wo gibt es Entwicklungspotential? Wo reichen Ihre Ressourcen aus, wo müssten Sie neue aufbauen. Wer sind Ihre Anspruchsgruppen, wie wichtig sind diese und was sind ihre Ansprüche? Daraus ergibt sich eine Stärken- und Schwächen-Liste.

Zwischenfazit ziehen: Mit den erhobenen Daten können Sie ein Zwischenfazit ziehen. Gängige Tools sind eine SWOT-Analyse mit drei bis fünf Konsequenzen. Damit können Sie bereits einen Grundsatzentscheid fällen, ob Sie den Status Quo beibehalten oder weitere Optionen für die Zukunft entwickeln wollen.

Weitere Optionen entwickeln: Entwickeln Sie echte Varianten. Diese beinhalten in der Regel eine Absicht, einen geografischen Raum, den Mitteleinsatz und eine zeitliche Dimension.

Entscheid: Entscheiden Sie sich bewusst für eine Variante und formulieren Sie daraus drei bis fünf strategische Ziele, die messbar und mit den bestehenden oder noch zu beschaffenden Ressourcen und Kompetenzen realisierbar sind. Diese Ziele kann die operative Ebene anschliessend mit einem konkreten Massnahmenplan ergänzen.

 

Die Rollenverteilung

Die inhaltliche Verantwortung der Strategie liegt, wie es der Name bereits impliziert, beim strategischen Leitorgan. Mit anderen Worten, der Vorstand oder Stiftungsrat ist zuständig für den Inhalt der Strategie. Die Geschäftsleitung oder Direktion soll in den Prozess miteinbezogen werden als Inputgeber in der Analysephase und insbesondere, wenn es darum geht, die Strategie in konkrete operative Pläne umzusetzen. Ebenso empfiehlt sich ein partizipativer Einbezug von wichtigen Stakeholdern im Sinne einer Vernehmlassung und Abstützung von etwaigen Richtungswechseln. Um sicherzustellen, dass alle wichtigen und teilweise unangenehmen Aspekte auf den Tisch kommen und sachlich diskutiert werden, empfiehlt sich zudem der Einbezug von externen Beratern oder Dritten. Dies gibt dem Strategieprozess die notwendige Objektivität, Wichtigkeit sowie Seriosität und führt in der Regel rasch zu konkreten und effektiven Ergebnissen.

In der Praxis werden Rollen oft vertauscht oder vermischt: Der Vorstand und Stiftungsrat kümmert sich um operative Details (z.B. Tassenfarbenfragen bei der Ausgestaltung von Give-aways) währenddessen die Geschäftsleitung — ohne Wissen der strategischen Ebene — bereits einen strategischen Vorentscheid gefällt hat, indem z.B. ein Kooperationsvertrag unterzeichnet oder eine neue Dienstleistung in einem neuen Marktsegment getestet wurde. Geht es um die eigene Organisation, werden externe Berater manchmal sehr kritisch wahrgenommen, da man es sich gewohnt ist, Probleme intern zu lösen, ohne externe Beratung.
Von dieser Einstellung ist dringend abzuraten, denn sie ist der Organisation nicht zuträglich. Die eingangs beschriebene Rollen- und Gewaltenteilung macht durchaus Sinn: Das strategische
(Miliz-)Leitorgan soll Zukunftsfragen angehen, während die operative Ebene sich um das Tagesgeschäft kümmert und die externen Spezialisten auf die blinden Flecken hinweisen und den notwendigen frischen Wind sowie das Fach- und Prozesswissen in den Strategieprozess mit einbringen.

 

Fazit

Eine Strategie lohnt sich auch für NPOs und belohnt diejenigen, die sich auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen und zukunftsgerichtete Lösungen entwickeln. Strategisches Management bedeutet, vorauszuschauen. Fangen Sie am besten bereits heute damit an.

 


 

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