Mehrwertsteuer: Was muss eine Arztpraxis beachten?
Mehrwertsteuer: Was muss eine Arztpraxis beachten?
Um eine Konfrontation mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung zu vermeiden, sollten Ärztinnen und Ärzte um eine korrekte Abrechnung der Mehrwertsteuer besorgt sein. Doch der Umgang mit der Mehrwertsteuer gestaltet sich sehr komplex. Ein Überblick über die wichtigsten Herausforderungen.
Im Jahr 2010 wurde das neue Mehrwertsteuergesetz in Kraft gesetzt. Seither wurde es bereits drei Mal teilrevidiert. Die vierte Teilrevision befindet sich zurzeit in der parlamentarischen Beratung und wird voraussichtlich per 1. Januar 2024 in Kraft treten.
Bereits die Einführung der Mehrwertsteuer (MWST) hat für ärztliche Leistungen gezeigt, dass die Regelungen vielschichtig sind und sich die Umsetzung entsprechend komplex gestaltet. Die Entwicklungen in den letzten 30 Jahren weg von den klassischen, inhabergeführten Einzelpraxen zu grösseren Gruppenpraxen und anderen Zusammenarbeitsformen haben die mehrwertsteuerliche Komplexität nochmals erhöht. Vor dem Hintergrund der mittelfristig steigenden Mehrwertsteuersätzen lohnt sich ein Blick auf die wesentlichen Stolpersteine.
Vorsicht: Auch Praxisgemeinschaften können MWST-pflichtig werden
Für selbstständig erwerbende Ärztinnen und Ärzte besteht die Möglichkeit, im Bereich der MWST Praxisgemeinschaften zu bilden. Dies ist jedoch an restriktive Bedingungen geknüpft. So ist beispielsweise die Rechtsform der einfachen Gesellschaft zwingend, die Kostenweiterverrechnung muss ohne Aufschlag vorgenommen werden und es darf keine Leistungserbringung an Dritte ausserhalb der Praxisgemeinschaft erfolgen. Aus mehrwertsteuerlicher Sicht dürfen Praxisgemeinschaften ausschliesslich gegründet werden, um Ressourcen wie Personal, Sekretariat oder Geräte gemeinsam zu nutzen oder für den gemeinsamen Einkauf von Leistungen wie Praxismaterial oder Medikamente. Die MWST soll die daraus entstehenden Synergien nicht mindern. Diese sogenannten Ressourcen- oder Einkaufsgemeinschaften werden aufgrund der aktuellen Verwaltungspraxis nicht mehrwertsteuerpflichtig, solange sie als reine Innengemeinschaften keine Leistungen an Dritte erbringen. Dies ist jedoch der Fall, wenn Pharmaunternehmen bei Medikamentenverkäufen zusätzlich zu den marktüblichen Rabatten auch Marketingdienstleistungen wie Werbung oder das Auflegen von Produkteflyern entschädigen. Werden diese Zahlungen an die Praxisgemeinschaft und nicht direkt an die Ärztinnen oder Ärzte der Praxisgemeinschaft getätigt, sind die Bedingungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung nicht mehr eingehalten. Die Praxisgemeinschaft erbringt die erwähnten Marketingdienstleistungen für die Pharmaunternehmen (oder andere Dritte) gegen Entgelt. Dies hat zur Folge, dass die Leistungen, welche die Praxisgemeinschaft für die angeschlossenen Ärztinnen und Ärzte erbringt, neu der Mehrwertsteuer unterliegen können. Überwälzt die Praxisgemeinschaft die MWST mittels Rechnungsstellung auf die Ärzteschaft, wird es für diese praktisch unmöglich sein, den Vorsteuerabzug geltend zu machen, was den Einkauf mit zusätzlichen Kosten belastet.
Herausforderungen bei der Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsdienstleistern
Werden eigene Räumlichkeiten zur Erweiterung des Angebots an andere, selbstständige Gesundheitsanbieter wie beispielsweise Akustiker oder Orthopädisten vermietet, lauern mehrwertsteuerlich grosse Gefahren. Warum? Es stellt sich die durchaus heikle Frage, ob die an sich selbstständigen Mieter ihre Tätigkeiten aus Sicht der Mehrwertsteuer tatsächlich selbstständig ausüben. Gemäss Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung sind dazu unter anderem ein eigener Telefonbucheintrag, ein eigens angeschriebener Eingang sowie ein eigener Internetauftritt notwendig. Mit anderen Worten: Wird ein gemeinsamer Internetauftritt genutzt, sind die Räumlichkeiten nur über einen gemeinsamen Eingang erreichbar und werden die Patientinnen und Patienten an einem gemeinsamen Empfang von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Arztpraxis oder der Praxisgemeinschaft begrüsst, besteht das Risiko, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung von einem gemeinsamen Auftritt nach aussen ausgeht. Entsprechend werden in diesem Fall hinsichtlich der Mehrwertsteuerpflicht die Umsätze der beiden Parteien zusammengefasst. Beide Unternehmen werden zusammen als einfache Gesellschaft behandelt.
Befindet sich die Geschäftstätigkeit der Mieter erst im Aufbau oder wird diese in einem Teilzeitpensum ausgeführt, besteht ein hohes Risiko, dass deren Leistungen mehrwertsteuerlich dem bereits mehrwertsteuerpflichtigen, ursprünglichen Praxisinhaber zugerechnet werden. Dieser müsste dann die Umsätze des Mieters rückwirkend mehrwertsteuerlich abrechnen. Wobei nicht klar ist, ob diese der MWST unterliegen oder davon ausgenommen sind.
Auch die Saldosteuersatzmethode hat ihre Tücken
Die Abrechnung mit Hilfe von Saldosteuersätzen wird von mehrwertsteuerpflichtigen Praxen und Institutionen im medizinischen Bereich aufgrund ihrer einfachen praktischen Anwendung sehr geschätzt. Die Buchung der Vorsteuer erübrigt sich und auch allfällige Korrekturen aufgrund der Erzielung von Umsätzen, die von der MWST ausgenommen sind (z.B. Heilbehandlungen von Ärztinnen und Ärzten mit Berufsausübungsbewilligung). Im Saldosteuersatz ist beides pauschaliert enthalten. Werden Praxis-Innengemeinschaften mehrwertsteuerpflichtig und bezahlt eine Ärztin oder ein Arzt als Folge viel mehr MWST beim Einkauf von Leistungen, kann diese Methode unvorteilhaft sein und ist in jedem Fall zu überprüfen.
Wann haben Sie die angewendeten Saldosteuersätze zuletzt überprüft? Sind Sie sicher, dass sämtliche von Ihnen versteuerten Leistungen tatsächlich mehrwertsteuerpflichtig sind? Haben Sie beispielsweise ein medizinisches Hilfsprodukt abgegeben, das dem Normalsatz und nicht dem reduzierten MWST-Satz für Medikamente unterliegt?
Eine korrekte Handhabung ist wichtig. Denn Kontrollen können dazu führen, dass die Differenz zwischen den ausgewiesenen und korrekten, offiziellen Steuersätzen auf den Kundenrechnungen und dem tatsächlich der Eidgenössischen Steuerverwaltung abgelieferten Steuerbetrag mit Verszugszinsen nachbelastet werden.