Am 10. März 2021 treten die ersten Bestimmungen der europäischen Sustainable Finance Disclosure Regulation - kurz SFDR - in Kraft. Die SFDR statuiert weitreichende nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungs-pflichten im Finanzsektor, sowohl auf Unternehmens- wie auf Produktebene.
Dieser Beitrag fasst die mit der SFDR verbundenen Offenlegungspflichten zusammen und geht auf die Frage ein, inwiefern schweizerische Finanzinstitute von der SFDR betroffen sind.
Offenlegungspflichten auf Unternehmensebene
Ab 10. März 2021 bestehen für Finanzmarktteilnehmer in der EU gewisse ESG-Offenlegungspflichten auf Unternehmensebene. Diese haben auf ihrer Website Informationen zu veröffentlichen, wie sie Nachhaltigkeits-risiken in ihren Investitionsprozess einbeziehen und darzulegen, dass ihr Entschädigungsmodell konsistent mit der beschriebenen Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken ist. Dies dürfte in den meisten Fällen eine Anpassung von internen Regularien in den Bereichen Risikomanagement und Entschädigungen sowie von Marketingdokumenten erfordern. Ab 30. Juni 2022 haben sie weiter ihr sogenanntes «Principal Adverse Impact Statement» (PAI Statement) zu veröffentlichen, worin beschrieben wird, inwiefern sie nachteilige Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen und mitigieren. Sofern sie beabsichtigen, auf eine derartige Analyse und das damit verbundene PAI Statement zu verzichten, haben sie dies bereits per 10. März 2021 auf ihrer Website festzuhalten und klar zu begründen.
Wie bei anderen EU-Regularien besteht keine unmittelbare rechtliche Pflicht für schweizerische Finanzinstitute, die entsprechenden Vorgaben der SFDR umzusetzen. Eine derartige direkte Betroffenheit kann sich jedoch bei Zweigniederlassungen oder einer Dienstleistungserbringung im EU-Raum ergeben.
Offenlegungspflichten auf Produktebene
Die produktbezogenen Offenlegungspflichten unterscheiden sich nach dem ESG-Ambitionsniveau der Finanz-produkte, wobei folgende Kategorien unterschieden werden:
- Mainstream-Produkte (ohne ESG-Ambitionen)
- Produkte, die ökologische oder soziale Merkmale bewerben
- Produkte, mit denen Nachhaltigkeitsziele verfolgt werden
Die Offenlegungspflichten betreffen dabei die Bereiche vorvertragliche Aufklärung, periodische Bericht-erstattung und Offenlegung auf der Website. Wie obige Kategorisierung zeigt, bestehen auch ESG-Offenlegungspflichten für Mainstream-Produkte ohne ESG-Merkmale oder -Ziele.
Vorvertragliche Aufklärung
Bei sämtlichen Produktekategorien ist ab 10. März 2021 offenzulegen, inwiefern Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen des Investitionsprozesses berücksichtigt werden und wie sich diese auf die Erträge des Produkts auswirken könnten. Falls Nachhaltigkeitsrisiken als irrelevant betrachtet werden, ist dies zu begründen.
Ab voraussichtlich Ende 2022 sind sodann entweder die wichtigsten negativen Auswirkungen des Produkts auf Nachhaltigkeitsfaktoren im Sinne eines PAI Statements darzulegen oder es ist ausdrücklich festzuhalten und zu begründen, weshalb eine derartige Analyse nicht erfolgt. Zusätzlich ist bei Produkten mit ökologischen oder sozialen Merkmalen ab jenem Zeitpunkt zu begründen, worin diese liegen, und dass diese konsistent mit der EU-Nachhaltigkeitstaxonomie - der von der EU derzeit sukzessive erarbeiteten Kategorisierung nachhaltiger wirtschaftlicher Aktivitäten - sind. Bei Produkten mit Nachhaltigkeitszielen ist der beabsichtigte Weg zur entsprechenden Zielerreichung zu beschreiben und es wiederum darzulegen, dass die verfolgten Ziele der EU-Nachhaltigkeitstaxonomie entsprechen.
Der Ort der generellen Offenlegung wird in der SFDR für die verschiedenen Produktekategorien einzeln definiert. Diese erfolgt beispielsweise in der Kundeninformation nach Art. 24 MiFID II oder dem UCITS-Prospekt, inklusive eines allfälligen ausdrücklichen Hinweises, dass Nachhaltigkeitsrisiken als irrelevant betrachtet werden. Für die zusätzlichen Offenlegungen bei Produkten mit ökologischen und sozialen Merk-malen oder solchen mit Nachhaltigkeitszielen wird voraussichtlich ein zwingendes Template zu verwenden sein.
Periodische Berichterstattung
In der periodischen Berichterstattung zum Produkt (z.B. UCITS-Jahresbericht) ist ab voraussichtlich 2022 bei allen Produktekategorien über die wichtigsten negativen Auswirkungen des Produkts auf Nachhaltigkeits-faktoren zu informieren, sofern diese berücksichtigt werden. Für gewisse Aspekte davon werden voraussichtlich wiederum zwingende Templates zu verwenden sein. Bei Mainstream-Produkten ist sodann ausdrücklich festzuhalten, dass die damit verbundenen Investitionen die EU-Kriterien für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten nicht berücksichtigen.
Im Falle von Produkten mit ökologischen und sozialen Merkmalen ist darzulegen, wie diese konkret eingehalten werden. Weiter erforderlich ist ein Statement im Sinne des sogenannten «Do No Significant Harm Prinzips» (DNSH Principle), wonach Aktivitäten, welche die primären Nachhaltigkeitsziele der Verlangsamung des Klima-wandels und der Anpassung an den Klimawandel fördern, nicht den übrigen Nachhaltigkeitszielen (z.B. Schutz von gesunden Ökosystemen) zuwiderlaufen.
Bei Produkten mit Nachhaltigkeitszielen ist sodann der gesamte nachhaltigkeitsbezogene Einfluss zu beschreiben und es ist zu vergleichen, inwiefern das Produkt gegenüber einem gewählten Nachhaltigkeitsindex und einem marktüblichen Index ohne Nachhaltigkeitsfokus abschneidet. Weiter ist zu zeigen, zu welchen Nachhaltigkeitszielen das Produkt beiträgt und welcher prozentuale Anteil der Investitionen in nachhaltige Aktivitäten gemäss EU-Nachhaltigkeitstaxonomie fliesst.
Offenlegung auf der Website
Diese Offenlegungspflichten betreffen nur Produkte mit ökologischen und sozialen Merkmalen sowie Produkte mit Nachhaltigkeitszielen, nicht Mainstream-Produkte, und gelten voraussichtlich ebenfalls ab 2022. Sie umfassen namentlich eine Zusammenfassung, eine Beschreibung der ESG-Merkmale bzw. ESG-Ziele des Produkts, Informationen zur Methodologie für die Messung und Überwachung der ESG-Merkmale bzw. ESG-Ziele, Angaben zu den mit dem Produkt verbundenen Anlagen, Datenquellen und Screening-Kriterien für die gewählten Anlagen sowie relevante Nachhaltigkeitsindikatoren.
Herausforderungen und Ausblick
Gerade im Asset Management Bereich gibt es zahlreiche schweizerische Finanzinstitute, die nach dem Recht eines EU-Mitgliedsstaates - beispielsweise Luxemburg - organisierte kollektive Kapitalanlagen verwalten oder anbieten oder dafür als Vertreter agieren. Diese «EU-Fonds» werden von den produktbezogenen Offenlegungs-pflichten erfasst, was direkte Auswirkungen auf die damit in Verbindung stehenden schweizerischen Finanz-institute mit sich bringt. Diese haben zusammen mit den ausländischen Fondsleitungen sicherzustellen, dass die Produktedokumentationen die ESG-Offenlegungspflichten erfüllen, so zunächst betreffend Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen des Investitionsprozesses sowie deren potenzielle Auswirkungen auf die Erträge des Produkts. Weiter ist in Zusammenarbeit mit den involvierten Parteien sicherzustellen, dass auch die ab 2022 geltenden produktbezogenen Offenlegungspflichten in Produktedokumentation, Berichterstattung und Webauftritt berücksichtigt werden.
Auch in der Schweiz schreiten die regulatorischen Entwicklungen im Bereich der ESG-Offenlegungspflichten voran. Die FINMA führte bis 19. Januar 2021 eine Anhörung zu einer Anpassung ihrer Offenlegungs-rundschreiben für Banken und Versicherungen durch, womit systemrelevante Institute zu ESG-Offenlegungen verpflichtet werden sollen. Der Bundesrat beschloss sodann im Dezember 2020, bis Herbst weitere Vorschläge für Anpassungen im Finanzmarktrecht zur Verhinderung von Greenwashing - der Angabe von unhaltbaren oder irreführenden Versprechungen über «grüne» Eigenschaften eines Finanzprodukts - zu erarbeiten.
Zu diesem Zweck startete das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF im Januar 2021 eine Umfrage bei den betroffenen Berufsverbänden im Finanzsektor. Mit einer Erweiterung der ESG-Offenlegungspflichten dürfte demnach auch in der Schweiz in absehbarer Zeit zu rechnen sein.