Betriebsunterbrechung: Die Kosten im Fokus

Betriebsunterbrechungen können erhebliche finanzielle Verluste für Unternehmen auslösen. Wenn eine Betriebsunterbrechungsversicherung vorliegt, deckt diese grundsätzlich den entstandenen (versicherten) Schaden. Bei einer Betriebsunterbrechung ist in der Regel der versicherungstechnische Bruttogewinn ("vtBG") versichert, der sich als Umsatz abzüglich variabler Kosten berechnet. Demzufolge sind bei einer Betriebsunterbrechung die Fixkosten und der entgangene Gewinn (Deckungsbeitrag) gedeckt. In der Regel sind auch die im Zusammenhang mit der Betriebsunterbrechung entstandenen Mehrkosten versichert.

Der vorliegende Artikel befasst sich mit der Behandlung der Kosten im Falle eines Betriebsunterbruchs. Der Fokus liegt dabei auf der Identifikation der verschiedenen Kostenarten und deren Berücksichtigung bei der Schadensquantifizierung.

Variable Kosten vs. Fixkosten

Die Formel des versicherungstechnischen Bruttogewinns zeigt, dass es wichtig ist, die Fixkosten und die variablen Kosten zu unterscheiden. Als Fixkosten wird der Teil der Gesamtkosten eines Unternehmens bezeichnet, die in einem bestimmten Zeitraum unabhängig von der Bezugsgrösse (z.B. Produktionsmenge) konstant bleiben. Beispiele für Fixkosten sind Mietaufwand und Verwaltungsaufwand. Als variable Kosten werden jene Kosten bezeichnet, die in direkter Abhängigkeit von der Produktionsmenge oder der erbrachten Leistung stehen. Typische Beispiele für variable Kosten sind Materialkosten und Energiekosten, die unmittelbar mit der Herstellung eines Produkts oder der Erbringung einer Dienstleistung verbunden sind.

Variable Kosten haben unterschiedliche Eigenschaften und reagieren unterschiedlich auf Veränderungen der Bezugsgrösse bzw. der erbrachten Leistung. Das Verständnis der Auswirkungen von Veränderungen der Bezugsgrösse im Betrieb auf die Kosten ist zentral, um bei einer Betriebsunterbrechung den Schaden zu quantifizieren.

Hinsichtlich der Wirkungsweise von Veränderungen lassen sich mehrere Typen variabler Kosten identifizieren:

  1. Proportionale Kosten: Diese Kosten steigen oder fallen direkt proportional zur Produktionsmenge. Bei einer Verdoppelung der Produktionsmenge verdoppeln sich beispielsweise auch die dafür notwendigen Materialkosten.

  2. Degressive Kosten: Bei diesen Kosten steigen die variablen Kosten mit zunehmender Produktionsmenge, jedoch weniger stark als die Produktionsmenge selbst. Ein Beispiel sind Mengenrabatte beim Einkauf von Rohstoffen. Mit zunehmender Bestellmenge sinkt der Preis pro Einheit, was zu einer geringeren Steigerung der Gesamtkosten führt.

  3. Progressive Kosten: Diese Kosten steigen mit höherer Produktionsmenge überproportional. Ursachen können zum Beispiel Überstunden oder der Einsatz von teurerem Material bei Produktionsspitzen sein.

  4. Regressive Kosten: Bei dieser seltenen Form variabler Kosten nehmen die Gesamtkosten mit steigender Produktionsmenge ab. Beispielsweise sinken die Heizkosten einer Messehalle bei höheren Besucherzahlen.

Anwendungsbeispiel

An einem vereinfachten Anwendungsbeispiel wird im Folgenden illustriert, welchen Einfluss die Wirkungsweise von variablen Kosten auf die Schadenshöhe hat. Für Illustrationszwecke wird davon ausgegangen, dass die drei Gesellschaften lediglich eine direkte Kostenposition (Materialaufwand) und eine Fixkostenposition «Fixkosten» haben.

Ausgangslage

Wir betrachten drei unterschiedliche Gesellschaften: Gesellschaft A, Gesellschaft B und Gesellschaft C. Bei normaler Betriebstätigkeit erwirtschaften die drei Gesellschaften einen Umsatz von 5'000 und schreiben bei einer Bruttomarge von 50% und Fixkosten von -1'000 je einen Gewinn von 1'500. Die drei Gesellschaften unterscheiden sich in ihrer Kostenstruktur. Während die Materialkosten bei Gesellschaft A proportional sind, sind die von Gesellschaft B degressiv und von Gesellschaft C progressiv.

 


Abbildung 1 - Bruttogewinn bei normaler Betriebstätigkeit

 

Alle Gesellschaften waren von einem Schadensereignis betroffen, das zu einem Betriebsunterbruch führte. Während der Schadensperiode erwirtschaften alle drei Gesellschaften einen Umsatz von 3'000. Die Bruttogewinnmargen waren aufgrund der unterschiedlichen Kostenstrukturen während der Schadensperiode wie folgt verteilt: Gesellschaft A wies eine Bruttogewinnmarge von 50% auf, Gesellschaft B von 33.3% und Gesellschaft C von 67.7%. Dies ergibt einen Bruttogewinn bei Gesellschaft A von 1'500, bei Gesellschaft B von 1'000 und bei Gesellschaft C von 2'000. In diesem Beispiel stellt der Bruttogewinn zugleich den versicherungstechnischen Bruttogewinn dar.

 


Abbildung 2 - Bruttogewinn bei Schadensereignis

Schadensberechnung

Der Schaden wird mittels Differenzhypothese eruiert. Dazu wird der hypothetische Erlös für die Gesellschaften beispielsweise anhand historischer Daten modelliert. Ohne das Schadensereignis würden alle Gesellschaften einen Umsatz von 5'000 erwirtschaften (siehe auch Abbildung 1 - Bruttogewinn bei normaler Betriebstätigkeit). Bei diesem Umsatzniveau weisen alle Gesellschaften eine Bruttomarge von 50% auf. Aufgrund der unterschiedlichen Kostenstrukturen fallen die Bruttogewinnmargen zwischen dem Verlauf mit Schadensereignis (tatsächliches Szenario) und dem Verlauf ohne Schadensereignis (hypothetisches Szenario) unterschiedlich aus (siehe auch Abbildung 2 - Bruttogewinn bei Schadensereignis).

 


Abbildung 3 - Schadensberechnung

 

Für Gesellschaft A, die proportionale Materialkosten hat, ergibt sich im Schadensereignis (tatsächliches Szenario) ein Bruttogewinn von 1'500 (3'000 Umsatz x 50% BG-Marge), während der Bruttogewinn ohne Schadensereignis (hypothetisches Szenario) 2'500 beträgt. Der Schaden berechnet sich als Differenz der Bruttogewinne und beträgt -1'000. Für Gesellschaft B, die degressive Materialkosten aufweist, ergibt sich im Schadensereignis (tatsächliches Szenario) ein Bruttogewinn von 1'000 (3'000 Umsatz x 33.3% BG-Marge). Ohne Schadenereignis (hypothetisches Szenario) beträgt der Bruttogewinn 2'500. Der Schaden beläuft folglich auf -1'500. Für Gesellschaft C, die progressive Materialkosten hat, ergibt sich im Schadensereignis (tatsächliches Szenario) ein Bruttogewinn von 2'000 (3'000 Umsatz x 66.7% BG-Marge), ohne Schadensereignis (hypothetisches Szenario) hingegen ein Bruttogewinn von 2'500. Der Schaden beträgt -500.

Variante

Angenommen, die Schadensperiode fällt in einen Zeitraum, in welchem die Wirtschaftslage überdurchschnittlich gut war und die Produkte der Gesellschaften einer hohen Nachfrage ausgesetzt gewesen wären. Gesellschaft A würde nach wie vor eine BG-Marge von 50% erzielen. Indes würde sich die Bruttogewinnmarge von Gesellschaft B bei stärkerem Anstieg des Umsatzes ebenfalls weiter verbessern, während sich die Bruttogewinnmarge von Gesellschaft C mit steigendem Umsatz weiter verschlechtern würde. Dies spiegelt sich ebenfalls im Betriebsunterbruchschaden wider. Gesellschaft B, die von Skaleneffekten profitiert, hätte in einem prosperierenden Wirtschaftsumfeld demzufolge auch einen stärker ansteigenden Schaden, während Gesellschaft C, mit einer progressiven Kostenstruktur, einen schwächer ansteigenden Schaden hätte.

Fazit zum Anwendungsbeispiel

Am Anwendungsbeispiel zeigt sich die Auswirkung der Kostenstruktur auf die Schadenshöhe. Die Veränderung der variablen Kosten im Verhältnis zur Bezugsgrösse hat Auswirkungen auf die Höhe des Schadens. Je besser es einer Gesellschaft gelingt, Skaleneffekte bei steigenden Umsätzen zu generieren, desto höher ist der entstandene Schaden bei einer Betriebsunterbrechung, da der Gewinn überproportional steigt. Bei der Herleitung eines Schadens infolge eines Betriebsunterbruchs muss daher immer ein Fokus auf die Kostenstruktur gelegt werden. Werden variable Kosten ohne weitere Analyse linear auf das hypothetische Umsatzniveau gerechnet, kann eine potenzielle Unschärfe in der Schadensberechnung entstehen. Daher sind die variablen Kosten stets auf ihre Charakteristiken hin zu untersuchen. Im Weiteren ist auch die tatsächliche wirtschaftliche Lage bei Schadeneintritt zu berücksichtigen und deren Auswirkung auf die Umsatz- und Kostenstruktur.

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