Angemessener Umgang mit Whistleblowing

Versetzen Sie sich in folgende Situation: Sie bemerken, dass die Atmosphäre in Ihrem Arbeitsumfeld seit einiger Zeit anders ist als gewohnt. Vielleicht bemerken Sie, wie einer Ihrer Kollegen von seinem Vorgesetzten gemobbt und schikaniert wird, wie gemeingültige Regelwerke oder interne Richtlinien missachtet werden oder dass schlichtweg gepfuscht wird. Sie versuchen das Problem zur Sprache zu bringen, stossen aber auf kein Gehör. Was sind Ihre Möglichkeiten? Geben Sie auf und nehmen damit in Kauf, dass jemand zu Schaden kommt? Melden Sie sich bei einer vorgesetzten Stelle und riskieren, dass Ihre Person Teil von politischen Machtspielen wird? Oder gehen Sie mit dem Problem sogar an die Öffentlichkeit?

Genau diese Fragen muss sich auch ein Whistleblower im Dezember 2019 am Zürcher Universitätsspital (USZ) gestellt haben, als er Vorwürfe gegen einen leitenden Arzt des Spitals, unter anderem wegen Gefährdung der Patientensicherheit, erhob. In der Folge wurde eine interne Untersuchung eingeleitet, die in der Neubesetzung der Position endete1. Da das Spital kein Hinweisgebersystem betrieb, welches ein anonymes Melden ermöglicht hätte und Hinweisgeberschutz sowie Repressionsfreiheit nicht geregelt waren, wurde die Identität des Whistleblowers veröffentlicht und in mehreren Zeitungsartikeln genannt. Der Whistleblower musste seine Arbeit niederlegen. Die Situation am USZ wurde publik und in der Öffentlichkeit diskutiert. Aufgrund der negativen Berichterstattung erlitten sowohl der Whistleblower als auch das Spital massive Rufschäden. Im Nachgang der Affäre sagte der Whistleblower gegenüber SRF, dass er wohl nicht mehr auf mögliche Missstände hinweisen würde2.

BDO sind zahlreiche ähnliche Vorkommnisse bekannt. Häufig melden sich betroffene Unternehmen leider erst nach erfolgter öffentlicher Publikation bei uns. Um den Ruf aller Parteien zu schützen, die Integrität des Unternehmens zu wahren und Angelegenheiten möglichst ohne öffentliches Aufsehen abzuhandeln, sollte in jedem Unternehmen ein designierter Prozess zur Abwicklung von Meldungen zu nicht-konformem Verhalten, ein Whistleblowing-Managementsystem, vorhanden sein. Während die Wahrung der Reputation eines Unternehmens ein wichtiger Bestandteil eines Whistleblowing-Managementsystems ist, besteht die Hauptaufgabe des Systems jedoch darin, Risiken früh zu erkennen sowie Missstände und Betrügereien aufzudecken. Als solches trägt das System massgeblich zur Stabilität und Beständigkeit des Unternehmens bei. Nebenbei führt das offene Ansprechen von Mängeln nachweislich zu einem besseren Unternehmensklima mit erhöhter Mitarbeitendenzufriedenheit.


Figure 1: ACFE Report to the Nations 2022, Seite 24

Whistleblowing ist eine Frage von effektiver Compliance

Die Compliance ist dafür zuständig, dass Missstände aufgedeckt und verhindert werden können. Da Whistleblower unter anderem auf Missstände aufmerksam machen wollen, ist die Abwicklung von Whistleblowing-Meldungen eine Frage des Compliance-Managements. Dies hilft dem Unternehmen, zu überwachen, dass sowohl externe wie auch interne Gesetze, Richtlinien und Weisungen befolgt werden.

Das schweizerische Recht kennt auf Bundesebene keine Vorgaben für solche Systeme. Deren Gestaltung wird der Privatwirtschaft selbst überlassen. Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz damit weit hinter anderen Industrieländern: In den USA ist der Umgang mit Informanten von institutioneller Seite klar geregelt. Im EU-Raum trat 2019 die Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern in Kraft, die von den Mitgliedstaaten bis 2021 im nationalen Gesetz verankert werden sollte. In der Schweiz hingegen war es nicht der Bund, sondern die kantonale Legislative, die sich mit der Frage des Meldewesens und dem Schutz von Whistleblowern am intensivsten auseinandersetzte. So wurde im Jahr 2019 die interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen revidiert. Auftraggeber wurden darin unter anderem dazu verpflichtet, Massnahmen gegen Interessenkonflikte und Korruption zu treffen. Einzelne Kantone, wie zum Beispiel Bern und Graubünden, gingen bei der Umsetzung einen Schritt weiter und verlangten, dass sich Mitarbeitende an eine unabhängige Stelle wenden können. Kantone wie Tessin, Genf und Basel-Stadt haben darüber hinaus Verordnungen erlassen, die ihren Mitarbeitenden im öffentlichen Sektor das Recht zugestehen, Missstände bei einer unabhängigen Stelle zu melden. Zudem sind meldende Angestellte gesetzlich vor negativen Konsequenzen geschützt. Trotz dieser positiven Entwicklung auf kantonaler Ebene im öffentlichen Sektor, bestehen keine vergleichbaren Regelungen zu einem Meldewesen für den privaten Sektor. Schweizer Unternehmen mit Niederlassungen im Ausland müssen jedoch die strengeren Vorschriften im Ausland berücksichtigen.

Compliance effizient umsetzen

Unternehmen der Schweizer Privatwirtschaft, die trotz der fehlenden rechtlichen Bindung einen Meldeprozess errichten oder den bestehenden Prozess verbessern möchten, erreichen dies am effektivsten, indem sie sich an der ISO-Norm für Whistleblowing-Managementsysteme orientieren (ISO37002). Diese gründet auf dem Vergleich verschiedener internationaler Gesetzestexte und stellt einen Best-Practice-Ansatz zur Bearbeitung von Meldungen von Fehlverhalten dar. Externe Spezialisten wie BDO können Unternehmen bei der Gestaltung und Implementierung von Meldesystemen mit Fachwissen behilflich sein. Durch eine individuell auf das Unternehmen abgestimmte Beratung kann sichergestellt werden, dass sich das Meldesystem optimal in die bestehende Unternehmenskultur einfügt.

BDO verfügt über langjährige Erfahrung in der Verwaltung von aufgesetzten Managementsystemen. Durch den Beizug von externen Spezialisten bei der Verwaltung des Systems wird die Unabhängigkeit der Meldestelle gewährleistet und das Vertrauen der Mitarbeitenden in das System gesteigert. Mit Hilfe von diskreten Untersuchungen werden Sachverhalte effektiv und sachlich aufgearbeitet und Handlungsempfehlungen für das weitere Vorgehen unterbreitet.


Figure 2: ACFE Report to the Nations 2022, Seite 26

An welchen Punkten wäre demnach die Affäre beim USZ besser verlaufen, wenn ein Meldesystem im Sinne der ISO-Norm bestanden hätte? Einerseits wären die Missstände in der Klinik möglicherweise früher gemeldet, untersucht und somit die Patientensicherheit gewahrt worden. Andererseits wären die Identität und Integrität des Whistleblowers besser geschützt gewesen, was der Person sowie auch dem Spital das ungewollte öffentliche Interesse erspart hätte.

Durch einen effizienten Schutz des Whistleblowers erhöht ein Whistleblowing-Managementsystem die zukünftige Bereitschaft der Mitarbeitenden, sich zu melden, was sowohl für die Qualität der verrichteten Arbeit als auch für die Unternehmenskultur förderlich ist. Wollen auch Sie von den zahlreichen Vorteilen eines Whistleblowing-Managementsystems profitieren? Wir beraten Sie gerne und helfen Ihnen dabei, das geeignete System einzuführen.

Weitere Quellen:

Weitere Informationen zu Whistleblowing
Occupational Fraud 2022: A report to the nations by ACFE