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Hauptziel der laufenden Teilrevision ist die Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft. Wesentlichster und umfassendster Punkt der Revision ist unseres Erachtens die Einführung der sog. Plattformbesteuerung nach dem Vorbild der EU. Die seit der letzten MWST-Revision (1. Januar 2019) eingeführten Bestimmungen bezüglich ausländische Versandhandelsunternehmen genügten in der Praxis nicht.
Zukünftig sollen die Versandhandelsplattformen alle Warenlieferungen in die Schweiz deklarieren und versteuern. Zur Durchsetzung der neuen Regeln kann die Eidgenössische Steuerverwaltung zusätzlich administrative Massnahmen verfügen, wenn sich Versandhandelsplattformen oder -unternehmen zu Unrecht nicht registriert haben oder ihren Abrechnungs- und Zahlungspflichten nicht nachkommen. Konkret kann ein Einfuhrverbot für Lieferungen und als letzte Massnahme sogar die Vernichtung der Gegenstände anlässlich des Grenzübertritts angeordnet werden. Zudem können die Namen der Unternehmen veröffentlicht werden, gegen die solche Massnahmen angeordnet wurden.
Die neue Plattformbesteuerung betrifft nur die Warenlieferungsplattformen, nicht die Dienstleistungsplattformen, die in erster Linie in der Vermittlung von Personenbeförderungen oder Beherbergung tätig sind.
Zusätzlich wird eine Informationspflicht für alle Online-Plattformen eingeführt. Gestützt darauf kann die Behörde namentlich für Dienstleistungen in den Bereichen Beförderung (Taxifahrten, Kurierfahrten) und Beherbergung (Vermietung von Unterkünften), für welche die Plattformen nicht als Leistungserbringer gelten, Informationen einfordern, wer in welchem Umfang über die Plattform Leistungen in der Schweiz anbietet.
Weitere Änderungen sind stark branchenbezogen, andere haben übergreifende Wirkung:
- Kleinunternehmen mit einem jährlichen Umsatz bis CHF 5.005 Mio. können ihre Umsätze auf Antrag jährlich deklarieren. Sie müssen aber unterjährige Ratenzahlungen leisten.
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Einzelne Mehrwertsteuerausnahmen im Gesundheitswesen werden erweitert und in der praktischen Anwendung klargestellt. So werden medizinische Leistungen, welche von Ambulatorien und Tageskliniken erbracht werden, neu von der Steuerausnahme erfasst, ebenso Managed-Care-Leistungen inklusive die dazugehörigen, rein administrativen Leistungselemente.
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Zudem werden die Anforderungen an das von der Mehrwertsteuer ausgenommene Zurverfügungstellen von Personal nichtgewinnstrebigen Einrichtungen für Zwecke der Krankenbehandlung erleichtert.
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Reisebüros und Tour Operators müssen ihre weiterverkauften Reiseleistungen sowie die dazugehörigen Gebühren auch nicht mehr versteuern. Diese gelten als von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Für inländische Anbieter besteht die Möglichkeit zur Option.
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Streamingleistungen (Kultur-, Kunst-, Unterrichts-, Sport-, Unterhaltungs- oder Wissenschaftsbereich) gelten neu als Empfängerorts-Dienstleistungen.
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Leistungen von Einrichtungen der Sozialhilfe und der sozialen Sicherheit sind auch dann von der Mehrwertsteuer ausgenommen, wenn sie von gewinnorientierten Organisationen erbracht werden.
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Neu sind auch Entgelte für die Teilnahme an kulturellen Anlässen von der Steuer ausgenommen.
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Der Erwerb von Emissionsrechten unterliegt künftig der neuen Inlandbezugsteuer, wenn Käufer und Verkäufer in der Schweiz ansässig sind.
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Von Gemeinwesen ausgerichtete Mittel gelten mehrwertsteuerlich als Subvention, wenn sie als solche bezeichnet werden.
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Die Steuerausnahme für Leistungen zwischen von Gemeinwesen gegründeten Anstalten oder Stiftungen wird ausgeweitet und umfasst zukünftig auch Einrichtungen, die aktuell von Gemeinwesen gehalten werden.
Pflicht zur elektronischen Anmeldung und Einreichung der MWST-Abrechnungen
Bereits heute nutzen mehr als 90% der mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen die Möglichkeiten zur elektronischen Mehrwertsteuerabrechnung.
Durch den Verzicht auf Druck und Versand der Papierabrechnungen der restlichen 10% ergeben sich für den Bund Einsparungen von jährlich rund 100'000 Franken. Zudem ziehen Änderungen des Mehrwertsteuersatzes jeweils Anpassungen am Abrechnungsformular nach sich. Das elektronische Verfahren vereinfacht es, solche Änderungen umzusetzen.
Gestützt auf Art. 65a MWSTG schreibt der Bundesrat nun aus den vorgenannten Gründen vor, die Einreichung der Mehrwertsteuerdeklarationen elektronisch vorzunehmen. Die entsprechende Verordnung zur Umsetzung tritt auf den 1. Januar 2024 in Kraft. Unternehmen erhalten eine Übergangsfrist von einem Jahr. Entsprechend sind ab dem 1. Januar 2025 die MWST-Funktionen des ePortals für alle zwingend zu verwenden.
Steuersatzerhöhung
In der Volksabstimmung vom 25. September 2022 haben die Schweizer Stimmberechtigten der Reform zur Stabilisierung sowie einer Zusatzfinanzierung der AHV zugestimmt. Per 1. Januar 2024 werden die MWST-Sätze in der Schweiz erhöht. Die drei in der Schweiz geltenden MWST-Sätze werden wie folgt angepasst:
bis 31. 12.2023 | ab 1. 1.2024 | |
Normalsatz | 7,7% | 8,1% |
Reduzierter Satz | 2,5% | 2,6% |
Sondersatz für Beherbergung | 3,7% | 3,8% |
Einhergehend mit der Erhöhung der MWST-Sätze werden auch die bisherigen Saldosteuer- und Pauschalsteuer-Sätze (SSS/PSS) erhöht.
Für die Wahl des anwendbaren Steuersatzes ist ausschliesslich der Zeitpunkt der Leistungserbringung massgebend, also weder das Datum der Rechnungsstellung noch der Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts. Bis zum 31. Dezember 2023 erbrachte Leistungen unterliegen folglich den aktuell geltenden MWST-Sätzen, danach erbrachte Leistungen den neuen.
Was, wenn Leistungen über den 31. Dezember 2023 hinaus erbracht werden und aufgrund des Leistungszeitraums teilweise den bisherigen sowie den neuen Steuersätzen unterliegen?
Werden solche Leistungen nicht mit separaten Rechnungen fakturiert, sind das Datum oder der Zeitraum der Leistungserbringung getrennt auf der Rechnung auszuweisen und der darauf entfallende Betragsanteil zum jeweils anwendbaren MWST-Satz zu fakturieren. Andernfalls ist die Gesamtleistung zum neuen MWST-Satz abzurechnen.
Eine Ausnahme dazu besteht hingegen bei Leistungen, bei denen der Leistungsempfänger den Bezug der tatsächlichen Leistung bestimmt und der Zeitpunkt der Leistung dem Leistungserbringer deshalb unbekannt ist (z.B. Verkauf von Mehrfahrtenkarten, die über den 31. Dezember 2023 hinaus gültig sind). Hier kann auf das Verkaufsdatum abgestellt und zum alten MWST-Satz abgerechnet werden.
Entgeltsminderungen oder Umsatzbonifikationen sowie Stornierungen erfolgen mit demselben MWST-Satz, wie die ursprüngliche Rechnungsstellung.
Im MWST-Abrechnungsformular für das 3. Quartal 2023 können erstmals Leistungen zum neuen MWST-Satz deklariert werden.