Staking von Kryptowährungen: Rechtliche Herausforderungen und Risiken

Was sagt die FINMA?

Die FINMA veröffentlichte ihre erste Mitteilung zur Staking-Praxis im August 2023. Sie stellte fest, dass gestakte Vermögenswerte nicht mehr jederzeit verfügbar sind und somit als Publikumseinlagen zu behandeln seien, was eine Banklizenz erfordert. Diese Auffassung führte zu heftiger Kritik, da sie die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz einschränken könnte.

Aufgrund des Widerstands der Community, der Swiss Blockchain Federation (SBF) und der Crypto Valley Association revidierte die FINMA ihre Ansicht und erliess im Dezember 2023 eine neue Aufsichtsmitteilung.

FINMA Aufsichtsmitteilung 08/2023

Im Mittelpunkt der Aufsichtsmitteilung 08/2023 vom 20. Dezember 2023 steht der Schutz der Kundinnen und Kunden vor dem Insolvenzrisiko des Staking-Dienstleisters. Mit Inkrafttreten der Distributed-Ledger-Vorlage (DLT-Vorlage) wurde insbesondere auch eine rechtliche Grundlage zur Verwahrung kryptobasierter Vermögenswerte geschaffen, welche die Kundinnen und Kunden im Falle der Insolvenz des Verwahrers schützt. Je nach Konstellation der Staking-Dienstleistung ist es jedoch möglich, dass die Anforderungen der DLT-Vorlage nicht erfüllt sein können, sodass die Vermögenswerte bei Insolvenz des Verwahrers keinen Insolvenzschutz geniessen.

Zusammengefasst stehen im Fokus der neuen Aufsichtsmitteilung drei Problempunkte:

  • Präzisierung der Gesetzesauslegung zur Unterscheidung zwischen im Konkursfall geschützten Depotwerten und dem Insolvenzrisiko ausgesetzten Einlagen;
  • die damit einhergehenden bankenrechtlichen Bewilligungspflichten sowie
  • die Auswirkungen auf die Kapitalanforderungen bei bewilligten Instituten.

Begriffe, die für das Verständnis der Aufsichtsmitteilung relevant sind, sind im Glossar der genannten Aufsichtsmitteilung zu finden. Nachstehend aufgelistet finden sich einige solcher Begriffe:

  • Bei den unterschiedlichen Proof-of-Stake-Protokollen (PoS-Protokollen) können verschiedene Mechanismen seitens Unstaking-Prozesses (z.B. mit oder ohne Lock-up-/Exit-Perioden) oder seitens Implementierung von negativen Anreizen für eine regelkonforme Validierungstätigkeit (z.B. Slashing) genutzt werden.
  • Die Lock-up-/Exit-Periode ist die Mindestdauer des Stakings, bevor die kryptobasierten Vermögenswerte wieder entsperrt werden können.
  • Slashing ist der Vorgang, bei dem die gestakten kryptobasierten Vermögenswerte wegen Fehlverhaltens des Validator-Nodes in der Regel ganz oder teilweise vernichtet werden.

Staking-Varianten

Es ist zwischen Custodial und Non-Custodial Staking zu unterscheiden, wobei die Aufsichtsmitteilung nur Custodial Staking betrifft. Nicht zur Debatte steht das Non-Custodial-Staking, d.h. direktes Staking ohne Custodian aus einem Proof of Stake (PoS) oder Delegated Proof of Stake (DPoS) Netzwerk.

Laut der Aufsichtsmitteilung sind bei Custodial Staking zwei Formen zu unterscheiden: Direct Staking und Staking Kette.

  • Direct Staking heisst, das Institut betreibt das Staking selbst und hat folglich die Verfügungsmacht über die Withdrawal Keys.
  • Staking-Kette heisst, das Institut delegiert die Verantwortlichkeit für das Staking im Rahmen einer Staking-Kette an einen Drittanbieter, der die Verfügungsmacht über die Withdrawal Keys übernimmt (andere Banken oder Staking Pool-Betreiber).

Einige der Risiken, die das Staking mit sich bringt, sind folgende:

  • Das technische Risiko einer Fehlfunktion des Staking-Vorgangs: Beispielsweise das Risiko des Slashings von kryptobasierten Vermögenswerten infolge eines Fehlverhaltens des Validator Nodes;
  • das Gegenparteirisiko aufgrund der unklaren Rechtslage im Konkursfall (insbesondere, wenn die Verwahrung oder das Staking an ausländische Institute delegiert wird);
  • das Marktrisiko, da gestakte kryptobasierte Vermögenswerte in einer volatilen Phase möglicherweise nicht zum richtigen Zeitpunkt verkauft werden können (Stichwort: Protokoll mit Lock-up-/Exit-Perioden beim Unstaking).

Verwahrung von kryptobasierten Vermögenswerten gemäss DLT-Gesetz

Gemäss DLT-Gesetz werden drei Verwahrungsarten von kryptobasierten Vermögenswerten unterschieden: Individualverwahrung, Sammelverwahrung mit ersichtlichen Kundenanteilen und Sammelverwahrung ohne ersichtliche Kundenanteile.

  • Individualverwahrung: Jede Kundin und jeder Kunde hat ein eigenes Wallet.
  • Sammelverwahrung mit ersichtlichen Kundenanteilen: Trotz Pooling von kryptobasierten Vermögenswerten ist die Trennbarkeit jederzeit gewährleistet (z.B. individuelles Off-Chain-Management in der Bilanz).
  • Sammelverwahrung ohne ersichtliche Kundenanteile: Es ist keine Trennbarkeit möglich.

Die Aufsichtsmitteilung der FINMA erläutert, wie die konkursrechtliche, bankenrechtliche und buchhalterische Behandlung von verwahrten kryptobasierten Vermögenswerte je nach Verwahrungsart zu erfolgen hat.

 

Konkursrechtliche Behandlung nach Art. 16 BankG und Art. 242a SchKG (kryptobasierte Vermögenswerte je nach Verwahrungsart)

Quelle: FINMA Aufsichtsmitteilung 08/2023

 

Bankenrechtliche Behandlung nach Art. 1a und 1b BankG i.V.m. Art. 5 und 5a BankV der
kryptobasierten Vermögenswerte je nach Verwahrungsart

Quelle: FINMA Aufsichtsmitteilung 08/2023

 

Buchhalterische Behandlung der kryptobasierten Vermögenswerte je nach Verwahrungsart

Quelle: FINMA Aufsichtsmitteilung 08/2023

 

Anwendung auf Staking

Es stellt sich die berechtigte Frage nach der Anwendbarkeit dieser Modelle auf das Staking. Betreibt der Verwahrer Staking auf eigene Rechnung, ist die Voraussetzung «die kryptobasierten Vermögenswerte jederzeit für die Kundin oder den Kunden bereitzuhalten», nicht erfüllt. Bei solchen Konstellationen ist von einem Eigengeschäft im Sinne von Art. 1a Bst. b BankG auszugehen. Folglich können solche auf eigene Rechnung des Verwahrers gestakten kryptobasierten Vermögenswerte im Konkursfall nicht aus- bzw. abgesondert werden. In diesen Fällen ist für den Verwahrer eine Banklizenz erforderlich und die Kapitalanforderungen sind zu beachten.

Betreibt der Verwahrer Staking im Auftrag und auf Rechnung der Kundinnen und Kunden, dann ist eine Einzelfallentscheidung je nach Staking-Mechanismus der jeweiligen Blockchain notwendig. Aus der Perspektive des Konkursschutzes grundsätzlich unproblematisch erscheinen Blockchains, die für das Staking weder eine Lock-up-Periode noch einen Sanktionsmechanismus (Slashing) vorsehen. Bisher liegt weder eine einschlägige Rechtsprechung noch eine Praxis der Konkursgerichte vor, ob Blockchains mit Lock-up-Perioden und/oder Slashing gestakte kryptobasierte Vermögenswerte rechtlich die Voraussetzung des jederzeitigen Bereithaltens immer noch erfüllen. Es sind bisher auch keine Empfehlungen auf internationaler Ebene vorhanden.

Rechtsfolgen bei Staking durch bewilligte Institute

Es wird beim Custodial Staking, wie schon erwähnt, zwischen Staking Kette und Direct Staking unterschieden.
Bei einer Staking-Kette hat das Institut buchhalterisch gesehen eine Forderung gegen die Vertragspartei des bewilligten Instituts. Diese Forderung kann entweder als Forderung gegenüber dem Drittanbieter bilanziert oder unter Einhaltung gewisser Voraussetzungen als treuhänderisch verwahrte Forderung im Sinne von Art. 16 Ziff. 2 BankG und damit als Depotwert behandelt werden. Der letzte Fall ist mit diversen weiteren Voraussetzungen verbunden:

  • Treuhandvereinbarung zwischen Kundin oder Kunde und dem bewilligten Institut (Inhalt u.a. Art und Betrag der kryptobasierten Vermögenswerte, umfassende Risikoaufklärung),
  • Gegenparteirisiken beschränken
  • Spezifische Due Diligence durchführen und ein Digital Assets Resolution Package (DARP) zum Zweck eines angemessenen Risikomanagements erstellen, das regelmässig aktualisiert wird und:
- die wichtigsten Informationen enthält, die für die Identifizierung und unverzügliche Sicherstellung der kryptobasierten Vermögenswerte erforderlich sind (z.B. Beschreibung der Verwahrungsart, Angaben zu Kontaktpersonen mit Zugang zu den Private Keys, Angaben zu Drittverwahrern usw.);
- sicherstellt, dass der Liquidator im Falle eines Konkurses die kryptobasierten Vermögenswerte schnell an die Kundinnen und Kunden auszahlen kann, sodass sich der Aufwand und die Kosten für eine ordnungsgemässe Rückgabe auf ein Minimum beschränken lassen.

Bei Direct Staking liegt keine Absonderung im Sinne von Art. 16 Ziff. 2 BankG und eine gewisse Rechtsunsicherheit vor, ob die Voraussetzung der jederzeitigen Bereithaltung im Sinne von Art. 16 Ziff. 1 bis BankG bzw. Art. 242a Abs. 2 SchKG erfüllt ist.

Die FINMA verzichtet vorab darauf, eine Erfüllung der Kapitalanforderungen hinsichtlich gestakter kryptobasierter Vermögenswerte bei Banken zu verlangen, sofern 5 Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  • spezifische Anweisung der Kundin hinsichtlich Art und Anzahl der zu stakenden Kryptowerte​,
  • Sicherstellung der Zuordnung zur berechtigten Kundin durch bestimmte Validator- und Withdrawal-Adressen,
  • Aufklärung der Kundin über sämtliche Risiken,
  • geeignete Massnahmen zur Minderung der operationellen Risiken und 
  • DARP.

Werden diese Anforderungen eingehalten, sind im Konkurs eines FINMA-beaufsichtigten Instituts die gestakten kryptobasierten Vermögenswerte gemäss aktueller Einschätzung der FINMA zugunsten der Depotkunden aus der Konkursmasse konsequenterweise abzusondern.

Rechtsfolge bei unbewilligten Marktteilnehmern

Bei unbewilligten Marktteilnehmern kommt nur das Direct Staking in Frage. Bei Custodial Direct Staking im Auftrag und auf Rechnung der Kundinnen und Kunden liegt grundsätzlich keine bankenrechtliche Bewilligungspflicht vor, wenn

  • die gestakten kryptobasierten Vermögenswerte individuell verwahrt werden, d.h. pro Kunde besteht eine separate und zuzuordnende Blockchain-Adresse (auf Ebene der ursprünglichen Verwahrungsadresse, der Staking-Adresse und der Withdrawal-Adresse) und
  • der Anbieter verfügt selbst über die Withdrawal-Keys.

Der Verwahrer hat sich für die Geldwäschereiaufsicht einer Selbstregulierungsorganisation (SRO)anzuschliessen.​

 


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