Der Bundesrat hat am 28. Februar 2022 entschieden, die Sanktionen der EU gegen Russland zu übernehmen. Dies hat insbesondere Finanzintermediäre veranlasst, spezifische Massnahmen in Bezug auf den Umgang mit Schweizer Sanktionen zu implementieren, um das Risiko einer Verletzung von Sanktionsbestimmungen mit den damit verbundenen Rechtsfolgen zu minimieren. Zwei Jahre nach dem Erlass der ersten Sanktionen wird das Thema und eine geeignete Vorgehensweise zur bestmöglichen Umsetzung weiterhin stark diskutiert. Dieser Artikel soll einen Überblick zu den spezifischen Herausforderungen der Compliance im Bereich von Schweizer Sanktionen verschaffen.
Rechtliche Grundlagen zum Schweizer Sanktionsrecht
In der Schweiz bildet das Embargogesetz («EmbG») die rechtliche Grundlage für die Umsetzung
internationaler Sanktionen. Gestützt auf das Embargogesetz kann der Bundesrat gegenüber einem Staat oder einem Regime bzw. diesen angehörenden juristischen oder natürlichen Personen zur Durchsetzung von internationalen Sanktionen konkrete Zwangsmassnahmen in Form von Verordnungen (Sanktionsverordnungen) erlassen. Dem ist der Bundesrat mit dem Erlass der «Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine» vom 4. März 2022 (nachfolgend: «Ukraine-Verordnung») nachgekommen. Gemäss Verlautbarung des Bundesrates und des zuständigen Staatssekretariats für Wirtschaft («SECO») übernimmt die Schweiz mit diesen Massnahmen jeweils die von der EU erlassenen Wirtschaftssanktionen gegen Russland.
Die implementierten Sanktionen haben das Sanktionsrecht in den Fokus der einzelnen Finanzintermediäre wie auch der Aufsichtsbehörden gerückt.
Welche Massnahmen haben Finanzintermediäre in Bezug auf die Umsetzung von Sanktionsbestimmungen getroffen?
Das potenzielle Sanktionsrisiko hat sich je nach Zielmarkt und Kundenstamm unterschiedlich auf die Geschäftstätigkeit der Finanzintermediäre ausgewirkt. Geschäftsbeziehungen mit sanktionierten Personen mussten gemäss Art. 15 Ukraine Verordnung gesperrt werden. Zusätzlich sollten aufgrund des Ausbruchs des Krieges Kundinnen und Kunden mit russischem Nexus (Vertragspartner/wirtschaftlich Berechtigter mit z.B. Wohnsitz in Russland oder russischer Nationalität) auf allfällige weitere, bisher nicht berücksichtigte Risiken, analysiert werden.
Es müssen die folgenden Punkte berücksichtigt werden:
- KYC-Review der wirtschaftlich Berechtigten wie auch Gegenparteien der Kundinnen und Kunden mit russischem Nexus, um allfällige Verbindungen mit sanktionierten Personen festzustellen
- Analyse der Eigentümer bei komplexen Strukturen und Screening von allen Holding-Gesellschaften
- Review von Transaktionen mit Russlandbezug
- Überprüfung der Dokumentation (insbesondere Überprüfung, ob alle relevanten Personen im IT-System implementiert sind sowie Überprüfung von kürzlich erfolgten Wechsel von Aufenthaltstiteln)
Eine finanzielle Massnahme der Sanktionen ist insbesondere das Verbot von Einlagen über CHF 100'000 von russischen Staatsangehörigen oder in der Russischen Föderation ansässigen natürlichen Personen und niedergelassenen Banken, Unternehmen oder Organisationen (Art. 20 Ukraine-Verordnung). Geschäftsbeziehungen mussten intern einer besonderen Überwachung unterzogen werden, um nicht gegen das Verbot zu verstossen.
Nicht vom Verbot der Entgegenahme von Einlagen erfasst werden Schweizer Staatsangehörige, Angehörige eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder des Vereinigten Königreiches sowie natürliche Personen, die über einen befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstitel der Schweiz oder eines EWR-Mitgliedstaates oder des Vereinigten Königreiches verfügen. Ebenfalls nicht vom Verbot betroffen sind Schweiz-Russische Doppelbürger und -bürgerinnen sowie Personen, die sowohl über die russische Staatsbürgerschaft als auch die Staatsbürgerschaft eines EWR-Mitgliedstaats verfügen. Bei Zweifeln am Aufenthaltsort der Kundinnen und Kunden sollten vertiefte Abklärungen eingeleitet worden sein, insbesondere bei kürzlich erfolgter Einbürgerung oder einem plötzlichen und unplausiblen Wohnsitzwechsel. Der grösste Albtraum von Banken ist wohl das Entdecken von «Leichen im Keller» von alten Dokumentationen. Es ist schnell passiert, dass eine zweite russische Staatsangehörigkeit nie im Kernbankensystem erfasst worden ist. Dies erinnert auch an die mühsame Aufgabe, bereits existierende «US-Personen» zu identifizieren. Man könnte sich von den damals angewendeten Methoden inspirieren lassen, z.B. Befragung der Verantwortlichen der Geschäftsbeziehungen, um das Problem anzugehen.
Wie werden Sanktionen gegen einzelne Personen und Unternehmen identifiziert?
Finanzintermediäre sind mit der Aufgabe konfrontiert, zu überprüfen, ob Sanktionen in Bezug auf eine Person bestehen. Meist wird bei der Eröffnung einer neuen Kundenbeziehung ein umfassender Background-Check auf der Grundlage von extern angebotenen Datenbanken durchgeführt, der insbesondere auch den Abgleich mit den Sanktionen umfasst.
Im Verlauf der Geschäftsbeziehung erfolgt die Überprüfung in der Regel mittels automatisierten Screening Tools. Aufgrund der ständigen Aktualisierung der bestehenden Sanktionen ist eine IT-basierte Überprüfung der manuellen Prüfung vorzuziehen. Neben dieser automatisierten Prüfung ist es aber auch von grösster Bedeutung, ein fundiertes KYC-Profil (insbesondere mit Russland-Bezug) zu führen. Manche der von Sanktionen betroffenen Oligarchen haben rechtliche Strukturen geschaffen, die die Zuordnung ihrer Vermögenswerte bzw. die Besitzverhältnisse verschleiern. Solche Konstellationen sind durch automatisiertes Screening nicht immer zu entdecken. Ein umfassendes KYC stellt eine geeignete Grundlage zur Vermeidung von Sanktionsverstössen dar.
Was muss unternommen werden, falls eine sanktionierte Person oder ein sanktioniertes Unternehmen identifiziert wird?
Sobald Anhaltspunkte einer potenziell sanktionierten Person bestehen, sind genauere Abklärungen vorzunehmen und insbesondere auch nachvollziehbar zu dokumentieren. Als Massstab kann hierzu auf die Sorgfaltspflichtregeln des Geldwäschereigesetzes verwiesen werden.
Falls ein Finanzintermediär feststellt, dass ein Kunde oder eine Kundin (tatsächlich oder möglicherweise) einer Vermögenssperre gemäss Art. 15 Ukraine-Verordnung unterliegt, muss dies unverzüglich dem SECO gemeldet werden. Sind ausserdem die Voraussetzungen von Art. 9 GwG (Meldepflicht bei Geldwäschereiverdacht) erfüllt, muss parallel ohne weiteren Verzug eine Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) erstattet werden.
Was sind die Folgen, wenn die geltenden Sanktionsbestimmungen verletzt werden?
Die Strafbestimmungen im Zusammenhang mit Verstössen gegen die Ukraine-Verordnung werden im EmbG geregelt. Vorsätzliche Verstösse gegen die Vorschriften der Ukraine-Verordnung werden mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu CHF 540'000 bestraft. In schweren Fällen droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe bis zu CHF 540'000. Es handelt sich bei schweren Fällen um Verbrechen und somit um taugliche Vortaten für Geldwäscherei im Sinne von Art.305bis des Strafgesetzbuches.
Werden Verstösse gegen Zwangsmassnahmen in Unternehmen begangen, haftet
einerseits diejenige natürliche Person, welche die Tat verübt hat. Andererseits können aber auch Arbeitgeber oder Geschäftsinhaber bzw. deren Organe bestraft werden, wenn sie es in Verletzung einer Rechtspflicht unterlassen haben, eine Widerhandlung im Betrieb abzuwenden.
Es gilt anzumerken, dass Verstösse gegen das EmbG durch das SECO verfolgt werden. Das SECO ist ausserdem befugt, gesperrte Vermögenswerte einzuziehen.
Für Unternehmen haben diese Strafbestimmungen, wie einleitend erwähnt, zur Folge, dass der Einhaltung von Sanktionen eine höchste Priorität zugemessen werden muss. Allfällige Verfahren sind sehr kostspielig, und können fatale Auswirkungen auf die Reputation nehmen. Schliesslich werden die Finanzinstitute darauf bedacht sein, nicht den Blick der FINMA und insbesondere der Enforcement-Abteilung auf sich zu ziehen, welche jeden Verstoss gegen die Sanktionen als Lücke in der Organisation betrachten und folglich das interne Kontrollsystem als ungenügend erachten.
Geldwäschereirisikoanalyse in Bezug auf Sanktionsrisiken
Die am 24. August 2023 publizierte Aufsichtsmitteilung 05/2023 der FINMA zur Geldwäschereirisikoanalyse konnte erneut zum Anlass genommen werden, um auch spezifische Risiken in Bezug auf Sanktionen einer generellen Überprüfung zu unterziehen.
Auch wenn in dieser Mitteilung nicht speziell auf Sanktionsthemen eingegangen wurde, besteht kein Zweifel daran, dass es der Wille der Aufsichtsbehörde ist, dass das Thema Sanktionen in die Risikoanalyse einbezogen wird, insbesondere für Finanzintermediäre, die dieser Problematik direkt ausgesetzt sind. Es sei an dieser Stelle auch auf die Ausführungen des Bundesrates verwiesen, der die organisatorischen Pflichten zur Einhaltung von Sanktionen direkt in das Geldwäschereigesetz (GwG) integrieren möchte. Werden gemäss dieser Analyse neue Risiken bzw. erhöhte Risiken festgestellt, sollten neben den ad-hoc Massnahmen in Bezug auf die von Sanktionen betroffene Kundschaft des Finanzintermediärs die bestehenden Weisungen zum Umgang mit Sanktionen einer Prüfung unterzogen werden. Dies beinhaltet in einem nächsten Schritt einen Review und gegebenenfalls die Anpassung von internen Kontrollen und Festlegung der Verantwortungsträger zur besseren Überwachung von Sanktionen nach dem IKS des Finanzintermediärs.
Laufende Herausforderung für die Compliance
Die Russland-Sanktionen entwickeln sich dynamisch, indem sie durch neue Sanktionspakete fortlaufend ergänzt und verschärft werden. Dies zwingt die Unternehmen, ihre Compliance-Massnahmen laufend zu überprüfen und anzupassen.
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