Besteuerung der digitalen Wirtschaft
Das Projekt der OECD/G20-Staaten zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) zielt unter anderem darauf ab, das internationale Steuersystem und die Steuergerechtigkeit zwischen traditionellen und digitalen Unternehmen zu verbessern. Im Jahr 2021 haben die involvierten Staaten die Einführung eines Zwei-Säulen-Konzepts als Reaktion auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Besteuerung der digitalen Wirtschaft beschlossen.
Das Zwei-Säulen-Konzept der OECD
- Säule 1: Mit der Säule 1 wird eine gerechtere Verteilung von Gewinnen und Besteuerungsrechten zwischen den Ländern angestrebt, indem Besteuerungsrechte in Bezug auf Grosskonzerne auf die Märkte umverteilt werden, in denen die Unternehmen tätig sind und Gewinne erzielen, unabhängig davon, ob das betreffende multinationale Unternehmen physisch auf dem Markt präsent ist (Marktstaatenbesteuerung). Betroffen sind grundsätzlich multinationale Unternehmen mit einem weltweiten Umsatz von mehr als EUR 20 Mrd. und einer Rentabilität von mehr als 10 Prozent. Es ist geplant, dass das entsprechende Regelwerk per 1.1.2024 in Kraft tritt.
- Säule 2: Mit der Säule 2 soll eine globale Mindestbesteuerung von 15 Prozent für grosse Unternehmensgruppen eingeführt und so der Steuerwettbewerb zwischen den Ländern reduziert werden. Betroffen sind grundsätzlich multinationale Unternehmen mit einem weltweiten Umsatz von mehr als EUR 750 Mio. (die einzelnen Länder können auch eine tiefere Umsatzgrenze vorsehen). Das entsprechende Regelwerk soll per 1.1.2023 in Kraft treten.
Für mehr Informationen verweisen wir auf den folgenden Link: Taxation of the Digital Economy - BDO
Umsetzung in der Schweiz
Der Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen soll als Grundlage für die Umsetzung der Säule 2 (Mindestbesteuerung) des Projekts der OECD/G20 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft in der Schweiz dienen (22.036). Der Bundesrat hat dem Parlament am 22.6.2022 eine entsprechende Botschaft vorgelegt.
Das Ziel ist die Einführung der neuen internationalen Besteuerungsregeln in der Schweiz. Dabei soll die Grundlage für die Ausführungsgesetzgebung durch eine Änderung der Bundesverfassung geschaffen werden. Bis die gesetzliche Regelung in Kraft tritt, soll die Mindestbesteuerung angesichts ihrer Dringlichkeit mittels einer befristeten Verordnung eingeführt werden. So soll sichergestellt werden, dass die zusätzlichen Steuereinnahmen in der Schweiz erhoben werden können und nicht im Ausland anfallen. Zudem soll die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz aufrechterhalten und die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in der Schweiz erhalten bleiben. Trotz Einführung von neuen Regeln zur Sicherstellung der Mindestbesteuerung soll sichergestellt werden, dass der Steuerföderalismus zwischen den Kantonen bestehen bleibt. Der Ständerat hat dem OECD/G20-Projekt und dessen Umsetzung in der Schweiz am 28.9.2022 zugestimmt.
Welche Unternehmen sind von der Mindestbesteuerung betroffen?
Gemäss OECD-Richtlinien fallen nur international tätige Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens EUR 750 Mio. unter die sogenannten GloBE-Regeln (Global Anti-Base Erosion Regeln), welche eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent auf der Basis einer international vereinheitlichten Bemessungsgrundlage vorsehen. Auch in der Schweiz soll die Umsatzgrenze von EUR 750 Mio. zur Anwendung kommen. Grosse Unternehmen, die ausschliesslich in der Schweiz tätig sind, und KMU werden nicht von den neuen Regeln betroffen sein.
Die Ermittlung, ob die Mindestbesteuerung von 15 Prozent eingehalten ist, erfolgt auf der Grundlage der Jahresrechnung einer Gesellschaft, erstellt nach einem international akzeptieren Rechnungslegungsstandard sowie unter Berücksichtigung der GloBE-spezifischen Anpassungen und Korrekturen. Für betroffenen Gesellschaften, die ihre Jahresrechnung nach den Grundzügen des Obligationsrechts erstellen, stellt sich die Frage der Überführung des lokalen Abschlusses in einem international akzeptierten Standard.
Mit welchen Massnahmen sollen die Regeln der OECD zur Mindeststeuer in der Schweiz umgesetzt werden?
Die Übergangsbestimmung in der Bundesverfassung sieht zur Umsetzung der Mindestbesteuerung in der Schweiz die Einführung einer sogenannten Ergänzungssteuer vor. Mittels dieser schweizerischen Ergänzungssteuer soll die Mindestbesteuerung von betroffenen Unternehmensgruppen und deren Geschäftseinheiten in der Schweiz sichergestellt werden (sog. Qualified Domestic Minimum Top-Up Tax). Zudem soll die Schweiz von den neuen Besteuerungsrechten Gebrauch machen können, wenn eine in der Schweiz tätige Unternehmensgruppe die Mindestbesteuerung im Ausland nicht erreicht (sog. Income Inclusion Rule, IIR und Undertaxed Payments Rule, UTPR). Mit diesen Massnahmen wird sichergestellt, dass die zusätzlichen aus der Mindestbesteuerung resultierenden Steuereinnahmen der Schweiz und nicht anderen Staaten zufliessen. Durch die Einführung der schweizerischen Ergänzungssteuer und somit der Sicherstellung der geforderten Mindestbesteuerung in der Schweiz, können die in der Schweiz ansässigen Unternehmen und Geschäftseinheiten vor zusätzlichen Steuerverfahren im Ausland geschützt werden.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass das schweizerische Regelwerk mit den Mustervorschriften der OECD/G20 übereinstimmt. Andernfalls droht eine doppelte Besteuerung in der Schweiz und im Ausland.
Bei der Ergänzungssteuer handelt es sich um eine direkte Bundessteuer, welche jedoch von den Kantonen vollzogen werden soll. Mit dieser föderalistisch geprägten Umsetzung besteht weiterhin ein Anreiz für die Kantone, wettbewerbsfähige Steuerbelastungen anzubieten. Gleichzeitig werden die zusätzlichen Steuereinnahmen der Kantone im Nationalen Finanzausgleich (NFA) berücksichtigt.
Der Bund erhält gemäss Übergangsbestimmung 25 Prozent der Mehreinnahmen. Die restlichen 75 Prozent verbleiben bei den Kantonen.
Zeitplan
Angesichts der zahlreichen Unsicherheiten hält der Bundesrat ein etappiertes Vorgehen für die nationale Umsetzung für sinnvoll. In einem ersten Schritt soll eine neue Verfassungsnorm dem Bund die Kompetenz geben, das OECD/G20-Projekt umzusetzen. Eine Übergangsbestimmung in der Bundesverfassung soll den Bundesrat ermächtigen, die Mindestbesteuerung vorübergehend auf dem Verordnungsweg zu regeln. Die eidgenössische Abstimmung über die dazu notwendige Verfassungsänderung findet voraussichtlich am 18.6.2023 statt. Aktuell befindet sich der Entwurf der Verordnung des Bundesrats über die Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen in der Vernehmlassung (Vernehmlassungsfrist bis am 17.11.2022). Die Anpassung der Bundesverfassung und der Erlass der Verordnung würde eine Inkraftsetzung der neuen Bestimmungen in der Schweiz bereits auf den 1.1.2024 erlauben. Zu einem späteren Zeitpunkt soll die Verordnung durch ein entsprechendes Bundesgesetz abgelöst werden.
Handlungsbedarf
In einem ersten Schritt empfehlen wir zu prüfen, ob Ihre Gesellschaften respektive Ihre Geschäftseinheiten in der Schweiz den Vorschriften zur Mindestbesteuerung unterliegen (Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe mit einem weltweiten Umsatz von mehr als EUR 750 Mio.?).
Sofern die Jahresrechnung Ihrer Gesellschaft nicht nach einem international akzeptieren Standard erstellt wird, wäre zu prüfen, wie die Überführung des lokalen Abschlusses in einem international akzeptierten Standard erfolgen kann.
Weiter empfehlen wir in Bezug auf das Jahr 2023 zu analysieren, ob das Risiko besteht, dass die Mindestbesteuerung von Gesellschaften oder Geschäftseinheiten in der Schweiz durch andere Staaten sichergestellt wird (Besteuerung von Gesellschaften oder Geschäftseinheiten in der Schweiz durch andere Länder). Dies wäre dann der Fall, wenn Ihre multinationale Unternehmensgruppe Gesellschaften oder Geschäftseinheiten in einem Land hat, welche die Mindestbesteuerung bereits im Jahr 2023 und somit vor der Schweiz einführt.