Aktienrechtsrevision – Was ist neu für den Verwaltungsrat?

Das Parlament hat die Aktienrechtsrevision am 19. Juni 2020 verabschiedet. Einige Elemente dieser Revision sind bereits in Kraft getreten, z. B. in Bezug auf die Geschlechterrichtwerte in den Führungsgremien börsenkotierter Unternehmen und die Verbesserung der Transparenz im Rohstoffsektor. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 2. Februar 2022 sämtliche weiteren Bestimmungen auf den 1. Januar 2023 in Kraft gesetzt. Ab diesem Zeitpunkt werden die lang ersehnten Änderungen des Obligationenrechts (OR) und der Handelsregisterverordnung (HRegV) Realität werden.

 

Nach der Behandlung der Aktionärsrechte und der Generalversammlung, des Aktienkapitals der AG und deren Kapitalband und der neuen Bestimmungen für die Dividenden befasst sich dieser Beitrag mit den Neuerungen für den Verwaltungsrat.

 

Beschlüsse des Verwaltungsrats

Der Verwaltungsrat kann seine Beschlüsse entweder an einer Sitzung mit Tagungsort oder unter Verwendung elektronischer Mittel, in sinngemässer Anwendung der Bestimmungen für die virtuelle Generalversammlung, fassen. Weiter kann er Beschlüsse auf schriftlichem Weg auf Papier oder in elektronischer Form fassen, sofern kein Mitglied die mündliche Beratung verlangt. Im Fall der Beschlussfassung auf elektronischem Weg ist keine Unterschrift erforderlich; vorbehalten bleibt eine anderslautende, schriftliche Festlegung des Verwaltungsrats. ​Diesbezüglich fehlte bislang eine klare Regelung, was zu Unsicherheiten in der Praxis führte.​

 

Sorgfalts- und Treuepflichten bei Interessenkonflikten

Mitglieder von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sind verpflichtet, den Verwaltungsrat unverzüglich und vollständig über sie betreffende Interessenkonflikte zu informieren. ​Als Interessenkonflikt kommen bspw. Insichgeschäfte, die Doppelorganschaft innerhalb oder ausserhalb eines Konzerns, die Vertretung eines Grossaktionärs oder einer «Aktionärsgruppe» im Verwaltungsrat oder die Wahrnehmung von Berater oder Gutachtertätigkeiten neben dem Amt als Verwaltungsrat in Betracht. ​

 

Drohende Zahlungsunfähigkeit

Der Verwaltungsrat hat die unübertragbare und unentziehbare Aufgabe zur Finanzkontrolle und somit zur Überwachung von Liquidität und Vermögen der Gesellschaft. ​Neu bestehen ausdrückliche Pflichten bei sogenannt drohender Zahlungsunfähigkeit.

Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner über einen länger andauernden Zeitraum voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Ein vorübergehender Liquiditätsengpass stellt noch keine Zahlungsunfähigkeit dar. ​

Droht die Gesellschaft zahlungsunfähig zu werden, so ergreift der Verwaltungsrat Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit. Er trifft, soweit erforderlich, weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft oder beantragt der Generalversammlung solche, soweit sie in deren Zuständigkeit fallen. Er reicht nötigenfalls ein Gesuch um Nachlassstundung ein.

 

Kapitalverlust und Überschuldung

Die derzeitigen Bestimmungen des Gesetzes wurden aufgegriffen und ergänzt, aber im Grossen und Ganzen bleibt die Verantwortung des Verwaltungsrats gleich.

Im Falle eines Kapitalverlustes muss der Verwaltungsrat Massnahmen zu dessen Beseitigung ergreifen. Er trifft, soweit erforderlich, weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft oder beantragt der Generalversammlung solche, soweit sie in deren Zuständigkeit fallen. Hat die Gesellschaft keine Revisionsstelle, so muss die letzte Jahresrechnung vor ihrer Genehmigung durch die Generalversammlung überdies einer eingeschränkten Revision durch einen zugelassenen Revisor unterzogen werden. Der Verwaltungsrat ernennt den zugelassenen Revisor. Diese Revisionspflicht entfällt, wenn der Verwaltungsrat ein Gesuch um Nachlassstundung einreicht.

Im Falle einer Überschuldung, das heisst wenn begründete Besorgnis besteht, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind, so erstellt der Verwaltungsrat unverzüglich je einen Zwischenabschluss zu Fortführungswerten und zu Veräusserungswerten. Auf den Zwischenabschluss zu Fortführungswerten oder zu Veräusserungswerten kann unter gewissen Bedingungen verzichtet werden. Der Verwaltungsrat lässt die Zwischenabschlüsse durch die Revisionsstelle oder, wenn eine solche fehlt, durch einen zugelassenen Revisor prüfen; er ernennt den zugelassenen Revisor. Ist die Gesellschaft gemäss den beiden Zwischenabschlüssen überschuldet, so benachrichtigt der Verwaltungsrat das Gericht. Dieses eröffnet falls zutreffend den Konkurs. Die Benachrichtigung des Gerichts kann aber unterbleiben, wenn Gesellschaftsgläubiger im Ausmass der Überschuldung im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurücktreten und ihre Forderungen stunden. Oder solange begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innert angemessener Frist, spätestens aber 90 Tage nach Vorliegen der geprüften Zwischenabschlüsse, behoben werden kann und dass die Forderungen der Gläubiger nicht zusätzlich gefährdet werden.

An dieser Stelle sei auf Folgendes hingewiesen: Im Falle einer drohenden Zahlungsunfähigkeit, eines Kapitalverlustes oder einer Überschuldung müssen der Verwaltungsrat, die Revisionsstelle oder der zugelassene Revisor mit der gebotenen Eile handeln. Das heisst, je nachdem, wie sich die Umstände gestalten, so schnell wie möglich.

 

 


 

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